DIE MENSCHENRECHTSFUNDAMENTALISTEN
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Morddrohungen und Proteste nach dem Urteil gegen Fendi Özmen
09.02.2013 23:39:13

Morddrohungen und Proteste nach dem Urteil gegen Fendi Özmen
Pressemitteilung

Am gestrigen Freitag sind offene und detailliert beschriebene Morddrohungen gegen den Oberstaatsanwalt aus Detmold und einen Journalisten des Westfalen-Blatts im Internet aufgetaucht. Die Drohungen wurden auf YouTube, in einem Kurzfilm, und in einem einschlägig bekannten Hochzeitsportal veröffentlicht. Mittlerweile wurde das Video und der Eintrag im Forum gesperrt. Die Ermittlungsbehörden wurden eingeschaltet, jedoch ist der Urheber der Morddrohungen noch nicht bekannt. Allerdings bezeichnet sich der Autor selbst als Jeside.
 
Bereits bei der Urteilsverkündung gegen die 5 Özmen-Geschwister vergangenen Jahres, ist auch unsere 1. Vorsitzende, Serap Cileli, ins Visier aggressiver Manöver seitens diverser Mitglieder der Familie Özmen und einiger weiterer Jesiden geraten.
 
Diese offenen Bedrohungen sind nicht nur ein Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit, sondern auch eine Attacke auf das deutsche Rechtssystem, vertreten durch den Oberstaatsanwalt.
 
Für Peri e. V. ist das ein eindeutiges Zeichen, dass an dieser Stelle die Zivilgesellschaft gefragt ist: Wenn tatsächlich im Anschluss an die Urteilsverkündung gegen Fendi Özmen Jesiden eine Solidaritätsdemonstration für den Verurteilten durchführen wollten (und es in letzter Minute von den Anwälten der Familie ausgeredet bekamen); wenn im Internet dazu aufgefordert wird, auf allen jesidischen Hochzeiten in naher Zukunft Unterschriftenlisten auszulegen, auf denen die Freilassung Fendi Özmens verlangt wird; wenn nur äußerst wenige Jesiden am Trauermarsch für Arzu Özmen teilnahmen (und die wenigen jungen Jesiden, die es taten, dabei angaben, gegen den ausdrücklichen Willen ihrer Eltern zu handeln) – dann muss klar sein, dass die Zeit des Wegsehens endgültig vorbei ist. Es bedarf einer gezielten, von allen politischen und gesellschaftlichen Kräften getragene Kampagne, die in Schulen und Familien zum Zwecke der Demokratisierung, Erziehung zur Gleichberechtigung und Bekämpfung archaischer Wertevorstellungen hineinwirken muss.
 
Wir nehmen hierbei auch Bezug zu der dreisten Verunglimpfung des im Falle Fendi Özmen ergangenen Richterspruchs, den der Kommunikationstrainer Ferhat Akman in einem Interview in völliger Verkennung der Realität ein “politisches Urteil” nennt und hierbei auch noch angibt, die Meinung “vieler” wiederzugeben. Leider nicht zum ersten Mal zeigt sich in aller Deutlichkeit, dass patriarchal sozialisierte Personen in einer perfiden Form der Täter-Opfer-Umkehr kaum oder gar kein Mitgefühl für die ermordete Arzu Özmen aufbringen. Stattdessen werden die Täter als zu unrecht Verfolgte oder, wie in einem Internetforum wiederholt dargelegt, gar als “Helden” angesehen. Diese, ohne jedes Unrechtsbewusstsein zur Schau getragene Tätermentalität in Verbindung mit der immer wieder zum Vorschein kommenden Gewaltbereitschaft, besorgt uns als Menschenrechtsverein in höchstem Maße.
 
Auch die yezidische Journalistin Düzen Tekkal sieht in Fendi Özmen kein Monster, sondern ein Opfer des Systems. Der Druck der Gemeinschaft habe ihn erst soweit getrieben.
 
Das Ausmaß der grundgesetz- und menschenrechtswidrigen Äußerungen und Handlungen macht uns, wie wir freimütig eingestehen müssen, fassungslos. Die Relativierung eines kaltblütigen Mordes, der u.a. von einem jesidischen Geistlichen als “Unfall” bezeichnet wird, zeigt den Grad der geistigen und moralischen Verrohung. Sollte diese Ansicht aber in der jesidischen Geistlichkeit keine Mehrheitsmeinung darstellen, dann fragen wir uns, warum entsprechende Distanzierungen und Richtigstellungen ausgeblieben sind. Abermals ist an dieser Stelle die jesidische Gemeinschaft gefragt, von der bislang positive Impulse jeder Art völlig ausgeblieben sind.
 
Peri e.V. kritisiert die jüngst erschienenen Morddrohungen, sowie das Schweigen auf jesidischer Seite aufs Schärfste. Doch nicht nur diese Morddrohungen, sondern auch die im Internet und anderswo öffentlich zum Ausdruck gebrachten Verunglimpfungen der verstorbenen Arzu Özmen, sowie die öffentliche Billigung des Mordes, müssen strafrechtliche Konsequenzen haben.
 
Peri e.V. wird durch eine Dokumentation von Äußerungen und Ereignissen seinen Beitrag zur Aufklärung der Öffentlichkeit weiterhin leisten. Mit den von den Morddrohungen Betroffenen erklären wir uns solidarisch und rufen die Zivilgesellschaft dazu auf, sich von gewissenlosen Tätern nicht einschüchtern zu lassen.
 
Kontakt für weitere Informationen:
 Pressestelle peri e.V.
 Bachgasse 44
 D-69469 Weinheim
 E-Mail: kontakt(at)peri-ev.de
 Internet:
www.peri-ev.de

http://www.peri-ev.de/news-presse/fall-arzu-özmen/morddrohungen/


Siehe auch:

Das WESTFALEN-BLATT dokumentiert den Sachverhalt, um zu zeigen, dass sich die Redaktion in ihrer Arbeit nicht bedrohen lässt. Zugleich sollen die Drohungen nicht totgeschwiegen werden, weil sie einen Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit darstellen, von dem die Leser erfahren sollen.
 »Wir sind dabei, den Urheber zu ermitteln«, sagte Polizeisprecher Martin Schultz aus Bielefeld. Auch weitere Polizeidienststellen sind eingeschaltet und haben Schutzmaßnahmen eingeleitet.
http://www.westfalen-blatt.de/nachricht/2013-02-09-fall-oezmen-morddrohung-nach-urteil/613/

Die Mitte ist schlecht, weil sie nicht so ist wie wir (3)
21.01.2013 21:04:39

Die Mitte ist schlecht, weil sie nicht so ist wie wir
Kritische Betrachtung der Studie "Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012" der Friedrich-Ebert-Stiftung
von Thomas Baader

TEIL 3

3. Ungeeignete Fragestellungen, um Rechtsextremismus unter Migranten angemessen untersuchen zu können

Es ist offensichtlich, dass es nicht die Absicht der Verfasser ist, rechtsextreme Einstellungen unter Migranten zu untersuchen. Das Augenmerk gilt dem einheimischen, nicht dem importierten Rechtsextremismus. Auf Seite 108 heißt es wörtlich: "Es ist plausibel zu vermuten, dass die Zustimmung zu rechtsextremem Gedankengut unter Migrantinnen und Migranten deutlich geringer ausfällt als in der Vergleichsgruppe. Der von uns genutzte Rechtsextremismus-Fragebogen ist auf Deutschland eingestellt, das heißt die Items sind im Hinblick auf den nationalen Kontext formuliert."

Hierzu lässt sich festhalten:
- Plausibel ist natürlich lediglich, dass es unter Migrantinnen und Migranten weniger Zustimmung zum Rechtsextremismus altdeutscher Prägung gibt (so wie es bei Menschen ohne Migrationshintergrund weniger Zustimmung geben dürfte zu rechtsextremen Inhalten der "Grauen Wölfe", als es bei Türkischstämmigen der Fall ist). Nicht plausibel ist es zu vermuten, dass Migrantinnen und Migranten rechtsextremem Gedankengut im Allgemeinen weniger zustimmen würden.
- Der Hinweis, dass der Fragebogen "auf Deutschland eingestellt" sei und entsprechende Items verwendet würden, dient zwar durchaus der Transparenz, offenbart aber zugleich in Überdeutlichkeit das Defizitäre der Studie. Anders ausgedrückt: Die Verfasser machen aus ihrer beabsichtigten Einseitigkeit keinen Hehl.

Zu Recht stellt Hartmut Krauss daher bezüglich der "Mitte"-Studie fest:

"Die Erfassung der Quantität und Essenz rechtsextremistischer Einstellungen konzentriert sich bislang fast ausschließlich auf die einheimische deutsche Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. Mit dieser einseitigen Ausrichtung wird die traditionelle Rechtsextremismusforschung der veränderten Realität einer multiethnischen Zuwanderungsgesellschaft aber nicht mehr gerecht, denn sie vermittelt mit dieser Fokussierung mittlerweile ein verzerrtes Bild der wirklichen Problemlage. [...] Die auf Deutsche ohne Migrationshintergrund zugeschnittenen Fragebatterien sind nicht in der Lage, den realen Inhalt und das wirkliche Ausmaß rechtsextremistischer Einstellungen von Migranten im Allgemeinen und muslimischen Migranten im Besonderen zu erfassen. Hierzu wäre es zum Beispiel notwendig, Fragebatterien zu entwickeln, die (a) eine übersteigert-nationalistische Identifikation mit der Herkunftsnation bzw. ethnischen Herkunftsgruppe ausweisen könnten, (b) das subjektive Einstellungsverhältnis zu Verbrechen der eigenen Herkunftsgruppe eruierten (Türkischstämmige im Hinblick auf die Verbrechen an den Armeniern oder im Hinblick auf das Verhältnis zu den Kurden) und (c) religiös-weltanschauliche Überlegenheits- und Herrschaftsansprüche gegenüber 'Fremdgruppen' ermittelten."
(
http://www.gam-online.de/text-Rechtsextremismusforschung.html)

Die Verfasser der Studie haben also allen Ernstes auf "Bio-Deutsche" zugeschnittene Items wie "Eigentlich sind die Deutschen anderen Völkern von Natur aus überlegen" und "Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert" Menschen mit türkischem und arabischem Migrationshintergrund vorgelegt und dies mit der banalen Aussage kommentiert, dass die Zustimmung der Migrantinnen und Migranten zu diesen Aussagen erwartungsgemäß geringer ausfiel. Der wissenschaftliche Wert dieser Erkenntnis tendiert gegen null. Die fatale Konsequenz aus dieser Haltung ist, dass jene, die unter dem importierten Rechtsextremismus zu leiden haben, mit dem Problem alleine gelassen werden. Zu ihnen gehören etwa die Aleviten in Deutschland. Treffend sagte Ali Ertan Toprak, der zweite Vorsitzende der Alevitischen Gemeinde, in einem Welt-Online-Interview im Jahr 2011: "Auf dem rechten Auge ist Rot-Grün in NRW wie anderswo oft blind – wenn es um Migranten geht." (http://www.welt.de/politik/deutschland/article13242127/SPD-und-Gruene-machen-Radikale-salonfaehig.html)

Zwar bezeichnen die Verfasser die Tatsache es als "bemerkenswert", dass ihre Studie auch zu dem Ergebnis kommt, dass mehr Migrantinnen und Migranten ohne deutsche Staatsbürgerschaft zur Verharmlosung des Nationalsozialismus neigen, als es Deutsche ohne Migrationshintergrund tun (S. 109); das Kapitel "Handlungsfelder" nimmt jedoch keinen Bezug auf diesen Befund, sodass keine Konsequenzen aus dieser "bemerkenswerten" Erkenntnis gezogen werden. Dass den Verfassern überdies der Bedeutungsunterschied der Wörter "anscheinend" und "scheinbar" nicht geläufig ist, fällt angesichts dieses Umstandes kaum ins Gewicht (S. 108: "Von diesen Parteien [Linke und Piratenpartei] fühlen sich Migrantinnen und Migranten scheinbar etwas eher vertreten als andere.")

Fazit

Die Studie zeigt, wie detailliert dargelegt wurde, eine deutliche ideologische Färbung, die naturgemäß wissenschaftlicher Erkenntnis abträglich ist. Die drei Hauptmängel der Studie lassen sich, so darf vermutet werden, auf dieselbe Ursache zurückführen:

- Der Studie gelingt keine brauchbare und tragfähige Differenzierung zwischen "Islamfeindschaft" und Islamkritik, weil man eine solche eindeutige Differenzierung nicht will.
- Die Studie erfasst linksextremistische Einstellungen nicht angemessen, weil man diese nicht erfassen will.
- Die Studie erfasst rechtsextremistische Einstellungen unter Migrantinnen und Migranten nicht angemessen, weil man diese nicht erfassen will.

Das Weltbild der Verfasser lässt bestimmte Erkenntnisse von vorneherein nicht zu. Die "Mitte"-Studie und das Milieu, das sie hervorgebracht hat, müsste zunächst zu kritischer Selbstreflexion in der Lage sein, um dieses Defizit zu überwinden. Die Ausführungen der Verfasser geben allerdings keinerlei Anlass zu der Hoffnung, dass eine solche konstruktive Einstellung dort vorherrschend ist. In diesem Zusammenhang sei auf die aktuelle Debatte um Jakob Augstein verwiesen, die denselben Geist atmet: Wer das Phänomen des linken Antisemitismus nicht zur Kenntnis nehmen will (so, wie die Verfasser etwa nicht das Phänomen des Linksextremismus zur Kenntnis nehmen wollen), der kann Äußerungen eines "Linken" auch dann nicht als antisemitisch einordnen, wenn dieselben Äußerungen, getätigt von einem Konservativen, klar und eindeutig als antisemitisch gewertet würden.

Erschreckend ist zudem der Umgang der Medien mit der Studie. Obwohl kaum ein Journalist sie vollständig gelesen haben dürfte, wird sie völlig unkritisch im Sinne einer verlässlichen Quelle zitiert. Die vorliegende Analyse hat daher den Versuch unternommen, Aufklärung zu leisten.

Mein Leserbrief an die Frankfurter Rundschau
11.01.2013 13:29:45

Mein Leserbrief an die Frankfurter Rundschau
von Thomas Baader

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich verfolge in den letzten Wochen Ihre Berichterstattung zum Antisemitismusvorwurf gegen Jakob Augstein und muss gestehen, dass ich von Ihrer Vorgehensweise einigermaßen entsetzt bin.

Bevor ich auf Ihre Artikel eingehe, zunächst ein paar notwendige Richtigstellungen: Das Simon Wiesenthal Center hat keineswegs, wie vielfach in der Presse behauptet, seine Vorwürfe gegen Herrn Augstein relativiert und ist auch nicht "zurückgerudert". Von Anfang an stand auf der Website des SWC, dass es sich bei dem Ranking um eine Liste antisemitischer und antiisraelischer Schmähungen handelt. Darauf hat das SWC hingewiesen - nichts weiter. Dieser Hinweis wäre im Übrigen erst gar nicht nötig gewesen, wenn deutsche Journalisten weniger nachlässig recherchieren würden. Es ist schon ein wenig seltsam, dass dieser korrigierende Hinweis seitens des SWC, der wie gesagt aus der Fahrlässigkeit deutscher Presseorgange resultiert, nun als Schwäche des SWC interpretiert wird und nicht etwa, wie es richtigerweise sein sollte, als Schwäche der verantwortlichen Journalisten in Deutschland.

Ob nun jemand, der (richtigerweise!) als Urheber einer antisemitischen/antiisraelischen Verunglimpfung eingestuft wird, auch als "Antisemit" bezeichnet werden darf, überlasse ich Ihnen. Ich habe dazu eine eigene Meinung.

"Wenn Jerusalem anruft, beugt sich Berlin dessen Willen", schreibt Jakob Augstein. Und außerdem dass die Rückendeckung der USA, die Israel genieße, sich der (angeblichen) Tatsache verdanke, dass jeder US-Präsident sich "vor den Wahlen immer noch die Unterstützung der jüdischen Lobbygruppen sichern" müsse. Im Klartext muss das wohl heißen: Die israelische Regierung und "jüdische Lobbygruppen" kontrollieren weite Teile der amerikanischen und deutschen Politik. Anders können diese Sätze von Herrn Augstein nicht gelesen werden. Und hier wollen Sie keine Verschwörungstheorie erkennen, die sich alter antisemitischer Klischees bedient? Wirklich nicht?

Große Teile der Presse haben auch sich völlig unsinnigerweise mit der Frage beschäftigt, ob Kritik an Israel erlaubt sein müsse und ob Israelkritik denn wirklich immer den Antisemitismusvorwurf verdiene. Nun handelt es sich dabei aber um eine glasklare Phantomdebatte, denn weder Henryk Broder noch irgendjemand anderes, der sich an dieser Debatte beteiligte, hat jemals behauptet, dass Kritik an Israel verboten und zwangsläufig antisemitisch wäre. In diesem Sinne kann auch Herr Augstein Israel so viel kritisieren, wie er will, problematisch wird es erst in dem Moment, wo er dies unter Zuhilfenahme antisemitischer Topoi tut.

Nachdem nun diese grundlegenden Dinge geklärt sind, möchte ich wie angekündigt auf Ihre Berichterstattung bzw. Ihre Kommentare Bezug nehmen. Ich überspringe hierbei den Text von Herrn Bommarius, der über die Vorzüge des Rechtsstaates philosophiert und sie darin sieht, dasss Herr Broder noch frei rumlaufen dürfe. Statt dessen möchte ich mich auf den Text von Jonas Nonnenmann vom 9. Januar 2013 konzentrieren. Herr Nonnenmann schreibt wörtlich:

"Mag sein, dass wir deutschen Journalisten uns besonders gerne mit Israel beschäftigen. Ob wir wollen oder nicht, haben viele von uns durch die Verbrechen unserer Eltern und Großeltern nun einmal eine besonders enge Beziehung zu Israel. Gerade weil wir das Land schätzen, finden wir es schlimm, wie eine demokratische Regierung Menschenrechte missachtet. Falls Augstein deshalb grollt, ist daran nichts auszusetzen. Ähnlich ist es mit den USA: Wenn dort gefoltert wird, sorgt das auch hier für Empörung; wenn aber dasselbe in Nordkorea passiert, löst der Vorfall höchstens ein Schulterzucken aus - von einer Diktatur erwarten wir ja nichts anderes. Von den Freunden in Israel hingegen schon."

Ich will es nicht verhehlen: So ähnlich habe ich auch mal gedacht. Meine Entschuldigung ist allerdings, dass ich damals noch ein Teenager gewesen bin und mich äußerst oberflächlich und undifferenziert mit dem Nahostkonflikt beschäftigt hatte. Auch ich war der Ansicht, dass ich höhere Ansprüche stelle an westliche Demokratien als an irgendwelche Dikatoren und tyrannischen Regime. Heute würde ich fragen: warum eigentlich? Gibt es für diese Sichtweise irgendeine einleuchtende Begründung? Würden Sie mit einem Kind, dass andere Kinder drangsaliert, schlägt und sonstwie quält, als Erwachsener besonders nachsichtig verfahren, während Sie mit einem Kind, dass die Grundregeln zivilisierten Zusammenlebens bereits verinnerlicht hat und keine kriminelle Laufbahn einschlägt, bei jedem Fehler ganz besonders hart ins Gericht gehen? Würde Ihnen das zweite Kind dann nicht völlig zu Recht Doppelmoral vorwerfen? Übrigens: Es gibt eine Definition von Antisemitismus, die man in diesem Fall nicht vergessen sollte - als ein Erkennungszeichen gilt, wenn man an den Staat Israel andere moralische Standards anlegt als an andere Länder.

Genau das aber tut Herr Nonnenmann laut eigener Aussage.

Mit freundlichen Grüßen
T. Baader

Jakob Augstein und der linke Antisemitismus
07.01.2013 11:14:06

Jakob Augstein und der linke Antisemitismus
von Thomas Baader

Die ganze öffentliche Debatte um die umstrittenen Aussagen des Journalisten Jakob Augstein lässt sich in einem Satz auf den Punkt bringen: Die meisten seiner Verteidiger haben seine Texte nicht gelesen und halten linken Antisemitismus von vorneherein für ein Ding der Unmöglichkeit.

Man darf annehmen, dass Augstein derzeit in seiner Rolle voll und ganz aufgeht - und die Selbstinszenierung als Opfer gehört selbstverständlich dazu: "Augstein, du bist und bleibst eine antisemitische Dreckschleuder. PS: immer schön aufpassen, wenn du über die Straße gehst." Diese über Facebook erhaltene Nachricht setzt Augstein an den Anfang seines Verteidigungsartikels bei Spiegel Online. Seht her, ich bin hier das Opfer!

Was der Augstein-Fanclub derweil von sich gibt und mit welchen Beschimpfungen er die Gegenseite bedenkt, wird freilich unterschlagen. Faszinierend ist in diesem Zusammenhang auch, dass jene Zeitungen, in denen Journalisten die Position vertreten, im Grunde gäbe es hier gar keine echte Antisemititsmusdebatte, oft einen Rattenschwanz an antisemitischen Beiträgen in den zugehörigen Kommentarbereichen bewältigen müssen. Augstein ruft also in der Leserschaft Unterstützer auf den Plan, die die Gelegenheit nutzen um mitzuteilen, dass die Presse sowieso irgendwie jüdisch kontrolliert wird. Nun besagt zwar ein Grundsatz der Fairness, dass man anerkennen sollte, dass vor dem Beifall von der falschen Seite niemand gefeit ist (bloß im Fall Sarrazin galt dieser Grundsatz nicht); das ist auch zweifellos richtig, jedoch rückt es das Bild wieder ein wenig zurecht, wenn man sich klarmacht, dass all jene, die noch eine Rechnung mit den Juden offen hatten, auf Augsteins Startsignal offenbar geradezu gewartet haben.

Der Autor dieser Zeilen hatte als sehr junger Mensch selbst einen äußerst schiefen Blick auf Israel und den Nahostkonflikt - was heute wiederum den Vorteil hat, die innere Verfasstheit Augsteins mit entsprechender Distanz nachempfinden zu können: Der Antisemitismus kann in diesem Fall keiner sein, weil er sich anti-imperialistisch maskiert - so das Denkmuster, das der Selbstberuhigung dient. Indem man sich selbst von vorneherein zu einem der Guten erklärt, ist man per Definition unabhängig von den eigenen Worten und Taten auch niemals Bestandteil einer Tätergruppe. Man will ja nur den armen Palästinensern helfen. Der Schwache hat automatisch immer Recht, also setzt man sich für ihn ein. Der Starke (oder: der als stark Wahrgenommene) muss ganz einfach schlecht sein. Also: einfach einmal Robin Hood spielen wie in Kindheitstagen. Hier bekommt August Bebels Ausspruch, wonach der Antisemitismus der Sozialismus der dummen Kerls ist, eine ganz neue Bedeutung. Das Kennzeichen des linken Antisemismus ist, dass er sich nicht als Antisemitismus versteht, sondern dass das antijüdische Ressentiment verdeckt wird durch einen Zuckerguss des antikapitilastischen, antiimperialistischen und letztlich selbstgerechten Gehabes. In diesem Sinne handelt es sich um einen Antisemitismus, der sich seiner selbst nicht bewusst ist. Die momentanen Reaktionen zeigen aber, dass auch viele, die selbst nicht vom linken Antisemitismus infiziert sind, sich seiner Existenz nicht bewusst sind.
 
Augsteins Umgang mit Israel ist von Vorurteilen und Ressentiments geleitet - das wird niemand ernsthaft bestreiten können, der sich mit seinen diesbezüglichen Texten auseinandergesetzt hat. Und tatsächlich kommen ja auch jetzt jene wieder zum Vorschein, die bei solchen Gelegenheiten sagen: Ja, einseitig und platt ist er, aber kein Antisemit. Besonders putzig dabei die folgende Argumentation: Augstein sei kein Antisemit, sondern ein kritischer Journalist. Wir lernen also: Antisemitismus und kritischer Journalismus schließen einander kategorisch aus, wobei es im Hinblick auf den letzteren zur Beweisführung zudem noch ausreicht, wenn der Betroffene sich selbst als kritischen Journalisten  bezeichnet. Zieht man hingegen konkret Worte und Taten heran, dann sieht der kritische Journalismus eines Jakob Augstein so aus: "Würde Israel für seine machtpolitischen Interessen auf Zahnpastatuben setzen und nicht auf Atomraketen, die berufliche Zukunft von rund 13.000 Drogistinnen wäre sicher". Das ist er also, der kritische Journalismus unserer Zeit. "Differenzierte Argumentation"? Ernsthaft? Sind Augsteins Verteidiger allesamt Teil eines großen satirischen Projektes und wir haben es bisher bloß nicht gemerkt? Es scheint bitterer Ernst zu sein. Und was eigentlich nur in randständigen linksradikalen Blättchen (oder leicht variiert in rechtsradikalen Entsprechungen) vorkommen sollte, schafft es dank Augstein auf die Seiten von Spiegel Online: ein unausgegorenes, unappetitliches Gemisch aus Verwschwörungstheorien, das sich, was die Denkfiguren betrifft, an dem überreichlich ausgestatteten Fundus des traditionellen Antisemitismus bedient.

Werfen wir an dieser Stelle einen nüchternen Blick auf einige Äußerungen Augsteins. Sie sind alle den Artikeln der letzten Monate entnommen (Nummerierung von mir):

1) "Mit der ganzen Rückendeckung aus den USA, wo ein Präsident sich vor den Wahlen immer noch die Unterstützung der jüdischen Lobbygruppen sichern muss, und aus Deutschland, wo Geschichtsbewältigung inzwischen eine militärische Komponente hat, führt die Regierung Netanjahu die ganze Welt am Gängelband eines anschwellenden Kriegsgesangs."

2) "[W]enn Jerusalem anruft, beugt sich Berlin dessen Willen."

3) "Diese Leute [ultraorthodoxe Juden] sind aus dem gleichen Holz geschnitzt wie ihre islamistischen Gegner. Sie folgen dem Gesetz der Rache."

4) "Gaza ist ein Gefängnis. Ein Lager."

Nun wird man schwerlich bestreiten können, dass der den Aussagen 1) und 2) innewohnende Grundgedanke ist, Deutschland und die USA bekämen ihre politischen Entscheidungen von Israel bzw. jüdischen Lobbygruppen diktiert. Wie die Augstein-Verteidiger hier zu der Ansicht gelangen können, wesentliche Elemente der klassischen antisemitischen Verschwörungstheorie seien nicht vorhanden, bleibt schleierhaft. Wahrscheinlich ist, dass die meisten, die sich derzeit für Augstein ins Zeug legen, diese Passage entweder gar nicht oder zumindest nicht aufmerksam und bewusst gelesen haben. "Juden haben zu viel Einfluss auf die öffentliche Meinung in diesem Land" ist übrigens ein Item, das die Friedrich-Ebert-Stiftung in ihrer 2012 erschienenen Rechtsextremismusstudie verwendete, um Zustimmung zu antisemitischen Aussagen zu erfassen. Augsteins Formulierung weicht (sinngemäß) allenfalls graduell davon ab.

Aussage 3) setzt ultraorthodoxe Juden, unter denen tatsächlich hochproblematische Einstellungen verbreitet sind, mit gewaltbereiten Islamisten gleich. Bloß: Die Ultraorthodoxen werfen keine Bomben, sind ja noch nicht einmal zum Militärdienst bereit. Bei aller berechtigten Kritik an ultrareligiösen Gruppierungen in Israel: Hier brennen Augstein die Sicherungen durch, und man darf sich fragen, was dahinter steckt.

Augsteins Aussage 4), wonach Gaza ein "Lager" sei, schafft eine begriffliche Parallele zur NS-Zeit, was entweder beabsichtigt ist oder günstigsten Falls eine unbewusste Entgleisung darstellt. Die Aussage hätte natürlich ihre Berechtigung, wenn Gaza wirklich ein Lager wäre. Aber in diesem "Lager" kann man frisches Obst und Gemüse auf dem Markt kaufen, die Kindersterblichkeit ist geringer als in der Türkei und und in Ägypten, die Bevölkerungsdichte keineswegs höher als die so mancher europäischer Großstadt. Wenn Augstein wirklich kein Antisemit ist - warum, so sollte man fragen, entscheidet er sich dann für eine Wortwahl, die den Antisemiten der Welt in die Hände spielt? Warum wälzt sich der Nicht-Antisemit geradezu in antisemitischen Klischees, stets mit der Entschuldigung versehen, sie seien ja nicht auf die Juden, sondern nur auf Israel bezogen (als ob sie dadurch weniger antisemitisch würden)?

All diese Sätze wollen Augsteins Fürsprecher also gelesen haben und zu dem Ergebnis gekommen sein, keinen Antisemitismus vorfinden zu können. Nun ja! Die Wahrheit dürfte wohl sein: Statt sich über Augsteins Aussagen ein Bild von Augstein selbst zu machen (wie es eigentlich sein sollte), existiert bei diesen Damen und Herren bereits ein vorgefertigtes Bild von Augstein als netter, linker, kritischer, moderner Mann, und nur vor dem Hintergrund dieses positiv gezeichneten Bildes werden seines Aussagen gelesen, um nicht zu sagen verzerrt. Kämen Augsteins Sätze nicht von ihm, sondern von jemand anderem - beispielsweise von einer jener Personen, die in den letzten Jahren aufgrund umstrittener Aussagen in der Presse viel Negativkritik erfahren hat - die Reaktion wäre sicherlich auch eine ganz andere. Aber die oftmals linken Akteure im Feuilleton wollen sich nicht mit linkem Antisemitismus beschäftigen - der Feind soll anderswo sein, aber bitte nicht in unserem Umfeld.

Abschließend würde ich gerne Jakob Augsteins Verteidigern eine kleine Hausaufgabe erteilen: Vergleichen Sie doch einmal die Aussagen, die Augstein über Israel macht, mit denen von Jürgen Möllemann - und sagen Sie uns dann, ob Unterschiede oder nicht vielleicht doch eher Gemeinsamkeiten überwiegen.

Die Mitte ist schlecht, weil sie nicht so ist wie wir (2)
24.12.2012 14:03:20

Die Mitte ist schlecht, weil sie nicht so ist wie wir
Kritische Betrachtung der Studie "Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012" der Friedrich-Ebert-Stiftung
von Thomas Baader

TEIL 2

2. Relativierung des Linksextremismus

An der Studie befremdet, dass sie als analytische Betrachtung des Phänomens Rechtsextremismus offenbar nicht ohne eine ideologisch motivierte Relativierung des Phänomens Linksextremismus auskommt. So heißt es auf Seite 16 wörtlich:

"Die Gleichsetzung von rechts und links ist ideologisch geleitet, analytisch irreführend und inhaltlich fragwürdig. Auf den Punkt gebracht: 'Rechtsextremismus strebt die Beseitigung der Demokratie, der Sozialismus jedoch die Abschaffung des Kapitalismus an.' Beide - und also
'links' und 'rechts' - sind deshalb nicht auf dieselbe Stufe zu stellen."

Mit einigen einfachen Taschenspielertricks schaffen die Autoren hier eine begriffliche wie inhaltliche Verwirrung:
- Eine Gleichsetzung von "linksextrem" und "rechtsextrem" findet, entgegen der Behauptung der Verfasser, in der Regel gar nicht statt. Die jetzige Bundesregierung etwa hatte ca. 24 Millionen für den Kampf gegen Rechtsextremismus bereitgestellt und ca. 5 Millionen Euro für den Kampf gegen Linksextremismus und Islamismus (zusammen, nicht jeweils!). Den zahlreichen Initiativen, die deutschlandweit gegen Rechtsextremismus existieren, steht keine entsprechende Anzahl von Initiativen gegenüber, die sich mit demokratiegefährdenden Strömungen anderer Art befassen. Linksextremismus wird also nicht über-, sondern unterschätzt.
- Die Autoren missachten in ihrer Polemik die den Begriffen "links" und "rechts" grundsätzlich innewohnende Gegensätzlichkeit, die durch den Zusatz "extremistisch" lediglich in dem Sinne ergänzt wird, als dass eine Unvereinbarkeit der jeweiligen Positionen mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zum Ausdruck gebracht wird. Der Erfuter Politikwissenschaftler Steffen Kailitz schreibt daher zu Recht: "Immer wieder bringen Kritiker wie Christoph Butterwegge (2002) den Einwand vor, die Extremismusforschung setze Links- und Rechtsextremismus gleich. Schon die Vorsilben "links" und "rechts" vor Extremismus zeigen jedoch die Anerkennung der entgegengesetzten ideologischen Ausrichtung der Phänomene an." (
http://www.dvpw-extremismus.uni-bonn.de/dokumente/Kailitz-Perspektiven-03.html)
- In ihrer Argumentation ersetzen die Autoren den Begriff "Linksextremismus" ohne Angabe von Gründen durch den Begriff "Sozialismus". Diese Vorgehensweise kann als "Methode Drohsel" bezeichnet werden: Im Oktober 2009 gab die damalige Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel der linksalternativen "tageszeitung" (taz) ein Interview. Konfrontiert mit der Frage "Gibt es einen Unterschied zwischen Links- und Rechtsextremismus?" antwortete Drohsel: "Rechtsextremismus spricht Menschen das Recht auf Leben ab. Grundlage linker Politik ist das Streben nach einem freien und selbstbestimmten Leben für alle." Man beachte: Befragt nach Linksextremismus, liefert Drohsel eine Definition von linker (also nicht notwendigerweise extremistischer) Politik in ihrem Sinne, umgeht also somit die eigentliche Fragestellung. Interessanterweise kombinierte die taz damals das Interview mit einem Foto von Drohsel, das in Anlehnung an das berühmte Gedicht von Ernst Jandl die Bildunterschrift erhielt: "Drohsel meint, lechts und rinks kann man nicht velwechsern." Bekanntermaßen war Drohsel zeitweise Mitglied im Verein "Rote Hilfe", der ehemaligen RAF-Terroristen und Stasi-Leuten sowie der kurdischen Terrororganisation PKK Unterstützung gewährt. Nun scheint der Fall Drohsel zu illustrieren, dass gerade jene, die Abgrenzungschwierigkeiten gegenüber dem linksextremen Spektrum aufweisen, dazu neigen, die Existenz des Linksextremismus zu leugnen. Auch die Autoren der Studie begeben sich in dieses Fahrwasser, wenn sie auf entsprechende Argumenationsmuster zurückgreifen.

Letztlich machen die Autoren sinngemäß folgende Aussage: Es gibt den Extremismus am rechten Rand der Gesellschaft und, dem Titel der Studie entsprechend, eben auch in der Mitte. Das linke Spektrum erhält hingegen einen Freispruch ohne jegliche vorangegangene gerichtliche Untersuchung.
Antidemokratisch ist für die Autoren offenbar per se rechtsextrem - als ob es niemals Stalinismus, DDR und RAF-Terror gegeben hätte. Indem die Verfasser etwa Antisemitismus als (in die Mitte reichendes) rechtsextremes Phänomen wahrnehmen, ignorieren sie die von Samuel Salzborn und Sebastian Voigt durchgeführte Studie aus dem Jahr 2011 zu Antisemitismus in der Linkspartei. Die krude Logik der Verfasser scheint zu sein: Wenn Linke wirklich antisemitisch sind, dann  sind sie rechts. Damit wird ein Phänomen a priori als nicht-extistent erklärt, was keinen wissnschaftlichen, sondern ideologischen Ansatz darstellt.

Die Ziele linksextremer Betätigung finden durch die Wortwahl eine entsprechende Verharmlosung. Wollten denn die Terroristen der Roten-Armee-Fraktion tatsächlich nur eine "Abschaffung des Kapitalismus" und keine "Beseitigung der Demokratie"? Hat jemand, der versucht, einen Polizisten anzuzünden, etwa menschenfreundliche Absichten? Linksextreme Betätigung ist in der jüngeren deutschen Geschichte derartig gut dokumentiert, dass man den Leugnern solcher Taten offene Geschichtsfälschung vorwerfen muss.

Demokratiefeindliche Strömungen rechts und mittig, bloß nicht da, wo wir selbst stehen - also links? Soll das ernsthaft die Botschaft der Autoren sein? Die Behauptung, Linksextremismus gäbe es nicht, ist selbst als linkspopulistische Argumentationsfigur zu werten. Der Linksextremismus stellt jedoch kein zu vernachlässigendes Phänomen dar. Ihn vor dem Hintergrund des Rechtsextremismus zu relativieren ist unredlich. Ein humanistischer Ansatz sollte Radikalisierung jeder Art in Betracht ziehen und entsprechend gewappnet sein.

TEIL 3 FOLGT IN KÜRZE!

Die Sache mit den Nazi-Abkürzungen: Ein falsches Zurückweichen
11.12.2012 08:51:23

Die Sache mit den Nazi-Abkürzungen: Ein falsches Zurückweichen
von Thomas Baader

Seitdem der "Nationalsozialistische Untergrund" und seine Untaten einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurden, will man die Buchstabenfolge NSU nicht mehr auf deutschen Nummernschildern sehen. Zumindest von offizieller Seite.

An sich ist dieses Vorgehen nur konsequent: Auch die Abkürzungswünsche SS, NS, HJ oder AH treffen bei der Zulassungsstelle auf Widerstand (und zwar auch dann, wenn man Steffen Schork oder Natascha Schmitt heißen sollte). Und an vielen Universitäten wird man feststellen, dass das Wort Wintersemester zwar mit WS, aber Sommersemester keineswegs mit SS abgekürzt wird - sondern mit SoSe.

Die Vorsicht und das Unbehagen diese "verbrannten" Abkürzungen betreffend sind nicht ganz unverständlich - aber ist es eigentlich wirklich Vorsicht und nicht etwa Angst? Und: Leistet es im Kampf gegen Rechtsextremismus wirklich einen sinnvollen Beitrag? Gibt es in Deutschland auch nur einen einzigen Neonazi weniger, weil wir nicht NS auf unsere Nummernschilder schreiben?

Es handelt sich also um Symbolpolitik im klassischen Sinne. Nun ist Symbolpolitik aber nicht unbedingt etwas Schlechtes. Staat und Gesellschaft können und sollen bei bestimmten Themen deutliche Signale setzen. Diese Signale ersetzen andere Formen der Auseinandersetzung zwar nicht, machen aber immerhin eine deutliche Aussage: Das wollen wir hier nicht!

Aber sind beim Verzicht auf rechtsextrem kontaminierte Abkürzungen denn die Signale wirklich so eindeutig? Die Stadt Hamburg etwa zeigt auf ihren Nummernschildern weiterhin stolz die Abkürzung HH. Auch das ist ein Signal, auch das macht eine Aussage: HH heißt hier Hansestadt Hamburg und nicht Heil Hitler! Wir gönnen euch diese Abkürzung nicht, sie gehört uns.

Denn das ist der Nachteil, der entsteht, wenn man solche Abkürzungen meidet: Man überlässt sie kampflos den Rechtsextremen zu Propagandazwecken. An sich ist das nicht nötig. Der Kontext sollte normalerweise in der Lage sein, Abkürzungen eindeutig aufzuschlüsseln. Ein SS auf dem Cover eines Vorlesungsverzeichnisses hieße dann eben einfach Sommersemester und könnte gar nicht Schutzstaffel bedeuten. Der Zusammenhang, in dem die Abkürzung SS erscheint, schließt hier einen nationalsozialistischen Hintergrund aus.

Der Kampf gegen Abkürzungen und auch Zahlenfolgen (man denke an die Thüringer Grünen, die eine Kampagne gegen eine Brauerei gestartet hatten, weil diese ihr Gründungsdatum - 1888 - vermarktete) entpuppt sich oft als eine Art von ergebnislosem Aktionismus, der von den wirklichen Möglichkeiten, extremistische Bestrebungen zu bekämpfen, ablenkt. Man kann sich danach als guter Bürger fühlen, ohne wirklich etwas verändert zu haben. Alte deutsche Ängstlichkeit und angstgesteuertes Gutdeutschtum gehen hier Hand in Hand.

Die Abkürzung NSU bezeichnet übrigens auch eine Automarke.

Frontal 21: Türkische Regierung agiert integrationsfeindlich in Deutschland
29.11.2012 21:42:44
Videohinweis

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/kanaluebersicht/aktuellste/460#/beitrag/video/1783900/T%C3%BCrkei-behindert-Integration
Auf dem linken Auge blind
12.11.2012 21:48:54

Auf dem linken Auge blind
von N. Lightenment (P)

Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat ihre neue Studie zum Thema Rechtsextremismus veröffentlicht. Auf der Website der Stiftung kann man eine Zusammenfassung herunterladen. Ganz am Ende des Dokumentes steht:

"Zivilgesellschaftlichen Projekte mit einer 'Extremismusklausel' unter Generalverdacht zu stellen und gleichzeitig die menschenverachtende Ideologie des Rechtsextremismus mit einem wie auch immer gearteten Linksextremismus gleichzustellen, ist inakzeptabel und kontraproduktiv. Die sehr reale rechtsextreme Bedrohung darf nicht durch die Gleichsetzung mit einer fiktiven Bedrohung durch Linksextremismus relativiert werden."

Haben Sie es gemerkt? Es gelingt den Verfassern, sich innerhalb von zwei Sätzen selbst zu widersprechen.  Im ersten Satz heißt es noch "einem wie auch immer gearteten Linksextremismus", im zweiten ist von einer "fiktiven Bedrohung durch Linksextremismus" die Rede.

Während man also zunächst noch nicht weiß (oder nicht zu wissen vorgibt), wie der Linksextremismus geartet ist, weiß man einen Satz später bereits, dass er nur fiktiv bedrohlich ist. Keine Antwort auf die Frage erhält man: Woher will man das wissen?

Weshalb ist es manchen Soziologen eigentlich nicht möglich, seriöse Rechtsextremismusforschung zu betreiben, ohne das Thema Linksextremismus verharmlosend und apologetisch zu behandeln? Der Kampf gegen Extremismus welcher Art auch immer verdient eine objektive anstelle einer ideologisch motivierten Behandlung.

Eine Stiftung, die einer linken Partei nahesteht, hält den Linksextremismus für keine Bedrohung. Na dann!

Die Grenzen der Seriosität
09.11.2012 22:32:40

Die Grenzen der Seriosität
Bericht über einen Vortrag von Sabine Schiffer am 8. November 2012 in Michelstadt
von Thomas Baader

Der Titel der Veranstaltung lautete „Wo sind die Grenzen der Meinungsfreiheit? Antimuslimischer Rassismus/Islamophobie“, wobei die zuletzt genannte begriffliche Verwirrung programmatisch für den Abend war. Die Veranstaltung wurde gemeinsam ausgerichtet von Attac Odenwald, Odenwald gegen Rechts, den Naturfreunden, dem DGB Odenwaldkreis, der DKP Kreisgruppe Odenwald, der GEW Odenwald, der GEW Darmstadt/Dieburg, der Linken Odenwaldkreis und dem Runden Tisch Reichelsheim.

Entsprechend findet man beim Eintreten nicht nur Flyer der diversen Initiativen ausliegend, sondern auch aktuelle Ausgaben der „jungen welt“. Um die Wartezeit zu verkürzen, blättert man ein wenig in der Zeitung und stößt auf einen romantisch verklärenden Artikel von Dietmar Dath über die Oktoberrevolution. „Die allverächtlichsten Arschlöcher, gegen die sie [das Proletariat – sic!] sich dabei behaupteten, die sie dafür besiegen mußten, redeten übrigens in demselben verlogenen, ekelhaften Zungenschlag, der heute die Standortpredigten der Bourgeoisie und ihrer Ausgehaltenen bis tief in die rechten Sumpfbezirke der Gewerkschaftsarbeit prägt […]“, heißt es dort aus Seite 11. Und weiter: „Das ist genau der verdrehte Quatsch, den Angela Merkel den griechischen Nichtbesitzenden vorheult […].“ Im geifernden Stil wird Kerenski als „handzahmer Napoleon-Wichtel“ bezeichnet, dann erst kommt Lenin mit „schweißtreibende(r) Überzeugungsarbeit“, um das Programm „Frieden statt Weltkrieg“ umzusetzen. Eine ideologische Verhunzung der tatsächlichen historischen Ereignisse, wie sie verfälschender kaum sein könnte.

Was hat das alles eigentlich mit dem Thema der Veranstaltung von Frau Schiffer zu tun, mag man sich fragen. Nichts. Eben. Warum liegen die Exemplare der „jungen welt“ dann überhaupt aus?  

Schließlich ist es so weit, 40 Zuhörer (darunter ein erheblicher Teil Angehörige der veranstaltenden Initiativen) füllen den kleinen Saal. Der Altersdurchschnitt ist eher hoch. Vorne erhebt sich ein bärtiger Herr und spricht die einleitenden Worte: Unmittelbarer Anlass für die Veranstaltung seien Anti-Islamisierungs-Aufkleber gewesen, die in letzter Zeit in Michelstadt aufgetaucht seien. Aber auch Politiker aus der Mitte der Gesellschaft äußerten sich mittlerweile entsprechend. Als noch problematischer bezeichnet der Sprecher aber „Institutionen, die unsere Verfassung schützen sollen“. Er sieht Wurzeln des frühen Verfassungsschutzes in der NS-Zeit, aber auch heutige Generationen hätten ihr Handwerk von diesen Alten gelernt. Und zum Abschluss: Die „Neofaschisten in Regierungskreisen“ solle man nicht unterschätzen.

Sabine Schiffer beginnt ihren Vortrag mit dem Verweis auf einen „polemischen Beitrag in der taz“, in dem Deniz Yücel Thilo Sarrazin verunglimpfe. Diese Sarrazin-Verteidigung überrascht sicherlich nicht wenige im Saal. Schiffer will an diesem Beispiel zeigen, dass die Meinungsfreiheit Grenzen habe, dass man selbst gegen einen Sarrazin nicht alles sagen dürfe. Allerdings, so Schiffers Argumentation, werde hier von den Sarrazin-Anhängern mit zweierlei Maß gemessen: Grenzen der Meinungsfreiheit gebe es für sie bei Angriffen auf Sarrazin, nicht aber bei Angriffen auf die Muslime.

Sabine Schiffer versucht sich anschließend an einer Definition der Grenzen der Meinungsfreiheit, indem sie die gesetzliche Situation in Deutschland beschreibt. Durch den Paragraph zur Volksverhetzung etwa sei die Leugnung des Holocausts in Deutschland verboten, was einzigartig sei. In diesem Moment Stirnrunzeln und Getuschel im Publikum – zu Recht, denn tatsächlich ist Holocaustleugnung in vielen Ländern Europas strafbar, und dem deutschen Volksverhetzungsparagraphen vergleichbare Gesetze gibt es reichlich, so etwa in Österreich („Verhetzung“) und Frankreich („Anstiftung zum Rassenhass“). Diese Äußerung Schiffers wird jedoch nicht die einzige Merkwürdigkeit des Abends bleiben.

Schiffer fährt unbeirrt in ihrem Vortrag fort und erklärt ihre Lieblingsmethode, die „Gegenprobe“, die darin besteht, in bestimmten Aussagen einzelne Wörter auszutauschen. Sie spricht also den Satz „Muslime neigen zur Gewalt“, und danach langsam und bedacht die folgenden Sätze:
 „Juden neigen zur Gewalt.“
 „Männer neigen zur Gewalt.“
 „Afrikaner neigen zur Gewalt.“
 „Amerikaner neigen zur Gewalt.“
Anschließend richtet Schiffer an die Anwesenden die Frage: „Wo ist das Problem bei den Sätzen?“ Murmelnde Antworten aus dem Publikum: „Verallgemeinerung…“

Spätestens an dieser Stelle wird die Veranstaltung unfreiwillig komisch. Schiffers Vortragsstil gleicht altmodischem Grundschulunterricht, wobei die Frage unbeantwortet bleibt, warum erwachsene Menschen das tatsächlich mit sich machen lassen. Leider kommt an dieser Stelle keine echte Debatte auf. Man könnte nämlich fragen, ob Schiffer auch ein Problem hätte mit der Formulierung „Männer neigen, statistisch gesehen, eher zur Gewalt als Frauen.“ Dieser Satz ist nämlich zweifellos wahr. Unklar bleibt auch: Wer hat den Satz „Muslime neigen zur Gewalt“ eigentlich gesagt? Der Kommentarbereich von Politically Incorrect etwa? Das wäre zu erwarten gewesen. Ernstzunehmende Kritiker des Islam hingegen verweisen durchaus auf Gewaltprobleme in bestimmten Communitys, drücken sich aber in der Regel differenzierter aus. Wer ist hier also eigentlich gerade der Gegner?

Schiffer widmet sich nun den bereits erwähnten Aufklebern. Das Layout eines solchen Aufklebers wird per Beamer an die Wand gestrahlt, man sieht eine durchgestrichene Moschee und den Aufruf, die Islamisierung zu stoppen. Schiffer fragt, was hierbei die Prämisse ist. Dann die Erkenntnis: Die Prämisse ist, dass es eine Islamisierung gibt.
Ähnlich wird mit einem Titelblatt des „stern“ verfahren, auf dem zu lesen ist: „Wie gefährlich ist der Islam?“ Prämisse sei, dass er überhaupt gefährlich ist, unklar sei nur wie sehr.
Das lässt sich beliebig fortsetzen, aber es wird dankenswerterweise darauf verzichtet. (Für alle aufmerksamen Leser, denen das nicht zu hoch ist: Schiffers Prämisse beim Nennen dieser beiden Prämissen ist übrigens, dass sie inhaltlich falsch sind.)

Es folgt eine kleine Begriffsdefinition, die eigentlich für Schiffer nur in der Erklärung besteht, dass sie die Begriffe „Islamophobie“, „Antimuslimismus“, „antimuslimischer Rassismus“ und „Islamfeindlichkeit“ synonym verwende. Kritik am Begriff „Islamophobie“, so erfährt man, sei ohnehin nur da, um Rassismus zu verschleiern. Nun sind allerdings (und das sagt Frau Schiffer nicht) gerade die Begriffe „Islamophobie“ und „antimuslimischer Rassismus“ in der Forschung heftig umstritten. Gegen den letzteren kann man zumindest einwenden, dass Ressentiments gegen Angehörige einer Religionsgemeinschaft, die sich nicht ethnisch definiert, ebenso wenig als Rassismus gelten kann wie Ressentiments gegen Homosexuelle (was freilich nichts daran ändert, dass beide Arten von Ressentiment existieren). „Islamophobie“ wiederum richtet sich seiner Wortbedeutung nach inhaltsorientiert gegen den Islam als Lehre und nicht gegen die Muslime als Menschengruppe. Aber diese Dinge werden an diesem Abend nicht diskutiert. Der Beamer strahlt ein paar passende Sätze an die Wand, darunter den folgenden: „Islamfeindlichkeit dient – wie jeder Rassismus – der Verfassung etablierter hierarchischer Strukturen und somit der Abwehr von Inklusion und Entwicklung.“ Schiffer schließt dieses Kapitel mit der Behauptung ab, der Begriff „antimuslimischer Rassismus“ werde sich am Ende wohl durchsetzen.

Sie klappert weitere Stationen ab. Vom Mohammed-Schmähfilm hätte „Media for Christ“ profitiert und nicht die Salafisten. Der „Salman Rushdie-Rahmen“ sei auf die Mohammed-Karikaturen gelegt worden, wo er nicht hingehöre, denn im Gegensatz zu Rushdies Kunstwerk wollten die Karikaturen „provozieren“.

Es wird im Verlauf des Abends immer mal wieder verschwörungstheoretisch: Wenn etwa George W. Bush nach 9/11 in eine Moschee gehe, um zu zeigen „Das hat nichts damit zu tun“, dann stelle Bush ja gerade den Kontext her, den er angeblich vermeiden wolle. Verblüffende Logik! Aus dieser Perspektive heraus könnte man auch auf die Idee kommen, dass Sabine Schiffers Veranstaltung eigentlich dazu diene, dass mit dem Islam doch irgendwie eine Gefahr assoziiert werde.

Ein weiterer Höhepunkt des Abends: Schiffer hadert mal wieder mit einem Cover des „stern“. Man sieht Ahmandinedschad, man sieht einen Atompilz, man sieht die Kuppel einer Moschee und man sieht den Schriftzug „Wie gefährlich ist der Iran?“ Anstoß nimmt sie, das war zu erwarten, an der Abbildung der Moschee. Schiffer schreitet also zur Gegenprobe und präsentiert ein Bild aus einem arabischen Blog, das sie für „vergleichbar“ hält: ein Atompilz, Ariel Scharon, über Scharons Kopf ein Davidstern. Ein Herr aus dem Publikum wendet an dieser Stelle ein, dass er Schiffer nicht ganz folgen könne: Der Islam sei doch aber nun wirklich die ideologische Grundlage der Herrschenden im Iran. Schiffer daraufhin: „Bei Israel ist das die Religion aber doch auch.“ Im Folgenden wird dann noch zwischen Schiffer und dem Publikum die Frage erörtert, ob das Scharon-Bild auch antisemitisch wäre, wenn man statt des Davidsterns die israelische Flagge abgebildet hätte. Und schließlich will ein Mann erkannt haben, was am Cover des „stern“ noch problematisch sei: Die Moscheekuppel sehe ja aus wie eine Bombe. Frau Schiffer warnt jedoch vor Überinterpretationen.

Noch einmal kommt das Thema Mohammed-Karikaturen auf den Tisch bzw. per Beamer an die Wand. Die bekannte Westergaard-Zeichnung (Mohammed mit Bomben-Turban) wird in eine Reihe gestellt mit anstößigeren Karikaturen anderer Herkunft. Einspruch kommt von einigen Gästen im Saal, die doch einen klaren inhaltlichen Unterschied zwischen der Karikatur des dänischen Künstlers und den anderen Zeichnungen sehen. Jemand aus dem Publikum fragt: „Betreiben wir da aber nicht gerade selbst Verallgemeinerung?“ Zweifellos der intelligenteste Satz des Abends, und er kommt nicht von Frau Schiffer. Sie versucht stattdessen die angebliche Gefährlichkeit von Westergaards Karikatur zu erläutern. Jyllands Posten gilt ihr als rechtes Blatt, das schon früher entsprechend aufgefallen sei. Leider versäumt es Sabine Schiffer, die Geschichte der Karikaturen richtig darzustellen: Kein Wort davon, dass dänische Imame diese Karikaturen, die über einen längeren Zeitraum von der islamischen Welt völlig unbeachtet blieben, auf eine Reise in die entsprechenden Länder mitnahmen, um die dortige Bevölkerung anzustacheln. Ebenfalls „vergisst“ Schiffer zu erwähnen, dass die Imame noch weitere, weitaus anstößigere Karikaturen im Gepäck hatten, die nicht aus Jyllands Posten stammten (aber der Eindruck sollte wohl erweckt werden).

Der Abend hat noch einen weiteren Höhepunkt parat: Schiffer weist auf das Phänomen des „humanitären Rassismus“ hin, was freilich, wie sie selbst bekennt, eine widersprüchliche Begriffsbildung sei. Der Diskurs um Emanzipation, Frauen- und Menschenrechte werde ebenfalls zur Verbreitung von Ressentiments genutzt. Gemeint sind also ganz offensichtlich humanistische und Menschenrechtsarbeit leistende Initiativen, die auf Probleme im muslimischen Milieu hinweisen und sich entsprechend engagieren. Da ist er also mal wieder, der gute alte Rundumschlag der Diffamierung. Verwundern dürfte er niemanden, denn es sind genau jene Initiativen, aus deren Reihen berechtigte Kritik an Sabine Schiffer geübt wird – so auch im Vorfeld des heutigen Abends. Die Diffamierung durch Schiffer erscheint als bizarrer Vorgang, wenn man bedenkt, dass einige dieser „humanitären Rassisten“ Musliminnen und Muslimen aus lebensbedrohlichen Situationen heraus geholfen haben, während Sabine Schiffer Aufkleber analysiert.

Präsentiert wird schließlich auch das Bild des berühmten afghanischen Mädchens ohne Nase – nach Schiffer gehe es hierbei um einen „Missbrauch der Geschichte“ der Betroffenen, um die NATO in Afghanistan bleiben lassen zu können. Wie absurd das sei, könne man daran sehen, dass die Verstümmelung des Mädchens während des Aufenthaltes der NATO in Afghanistan geschehen sei. Diese Logik ist nicht gerade bestechend. Führen wir den Gedanken einmal fort: Wenn sich in einer Stadt ein besonders schlimmes Gewaltverbrechen ereignet, so wäre nach Schiffers Denkweise eine Aufstockung der Polizeikräfte nicht sinnvoll, weil das Verbrechen sich ja trotz der Existenz der Polizei ereignet hat.

Der Abend schließt mit einer Diskussionsrunde, Zuhörer können Fragen stellen oder Anmerkungen einbringen. Wie schon zuvor, reagiert Schiffer auf Kritik nicht gerade souverän, würgt unangenehme Redebeiträge ab („das nervt jetzt vielleicht die anderen“) oder gibt auf Fragen, die ihr nicht passen, ausweichende Antworten.

Was bleibt schließlich als Erkenntnis des Abends? Vielleicht, dass der, der mit Sabine Schiffer und der DKP im Gepäck zum antirassistischen Appell antritt, ein Glaubwürdigkeitsproblem hat? Dass man es in Michelstadt bereits als „gut besucht“ empfindet, wenn eine Rednerin etwa vierzig Zuhörer (davon ein Viertel bis ein Drittel Angehörige der veranstaltenden Initiativen selbst) anzieht? Dass Initiativen, die von Gewalt bedrohten Musliminnen und Muslimen Betreuung, Schutz und Hilfe zukommen lassen, in Wahrheit verkappte „humanitäre Rassisten“ sind? Dass die Grenzen der Meinungsfreiheit klar definiert wurden? Man weiß es nicht. Aber man weiß hoffentlich nach der Lektüre dieses Berichts ein wenig mehr darüber, wo die Grenzen der Seriosität zu finden sind.

Für Aufrichtigkeit und Offenheit in der Integrationsdebatte!
08.11.2012 07:03:43

Für Aufrichtigkeit und Offenheit in der Integrationsdebatte!
Humanisten und Menschenrechtler verurteilen die Verunglimpfung von Heinz Buschkowsky
Ein Aufruf

Mit stetig wachsender Sorge betrachten wir den Verfall der demokratischen Debattenkultur, wenn brisante Themen wie Integration, Parallelgesellschaften und Frauenrechte in bestimmten Migrantencommunitys zur Sprache gebracht werden. Heinz Buschkowskys Buch „Neukölln ist überall“ hat erwartungsgemäß die üblichen Verharmlosungs- und Diffamierungsreflexe hervorgerufen. Große Teile der Kritik, die nun dem Autor entgegenschlägt, zeichnet sich durch Unwilligkeit und Unfähigkeit aus, einem nachdenklichen und problemorientierten Text angemessen zu begegnen, der Befunde in konkrete Lösungsvorschläge überführt.

Durchaus gibt es kritische Stimmen, die sich sachlich mit dem Buch von Heinz Buschkowsky auseinandersetzen. Das ist legitim und sollte im Sinne einer gesellschaftspolitischen Debatte auch selbstverständlich sein. Auch wir als VerfasserInnen und UnterzeichernInnen dieses Aufrufs stimmen nicht mit jeder einzelnen Aussage von Heinz Buschkowsky überein. Wir wenden uns daher folgerichtig auch nicht gegen die wenigen ernstzunehmenden Buschkowsky-Kritiker, sondern gegen die Mehrheit der Polemisierer und Diffamierer, die mit Rassismus- und Rechtspopulismusvorwürfen, Breivik-Vergleichen und sprachlichen Entgleisungen zeigen, dass sie an keiner sachlichen Auseinandersetzung interessiert sind. Aus diesem Umfeld, das sich in den letzten Wochen lautstarkmarktschreierisch in der Öffentlichkeit artikuliert hat, werden wir ständig mit Falschaussagen und Halbwahrheiten versorgt, wie sie haarsträubender kaum sein könnten. Wenn nun etwa die Rede davon ist, dass Buschkowsky weder Lösungen noch Positivbeispiele aufzeige, dann muss man davon ausgehen, dass bestimmte Kritiker sich an einer Buchkritik ohne vorhergehende Lektüre versuchen. Buschkowskys Lösungsversuche, denen man selbstverständlich zustimmend oder ablehnend gegenüberstehen darf, sind mannigfaltig und umfassen: altersgerechte Sachleistungen statt Kindergeld; Kindergartenpflicht; Ausbau von Ganztagsschulen; gezielte Sprachförderung; stärkere Konzentration auf Unterschichtenkinder im Bildungssystem; eine andere Debattenkultur; konsequente Sanktionierung von Fehlverhalten usw. Beispiele für gelungene Integration werden, entgegen der Behauptungen seitens der Kritiker, in dem Buch mehrach genannt, so auf den Seiten 59-60, 79-81,112-113, 286-290, 301-302, 311-312 und 322-324. Der Schwerpunkt des Buches liegt freilich auf der Betrachtung der Beispiele für misslungene Integration, was aber bei einem Text, der sich als problemorientierte Fehleranalyse versteht, auch gar nicht anders sein könnte. Der Vorwurf, dass Buschkowsky die Namen seiner Gewährsleute nicht nennt und immer nur von „einer Lehrerin“ oder „einem Polizisten“ schreibt, verwundert: Denn gerade der Umgang der Kritiker mit Buschkowsky macht es doch mehr als verständlich, dass der Autor des Buches seine Helfer durch Anonymisierung davor bewahren will, zur Zielscheibe von Diffamierungen und Schikanen zu werden.

Die in einem Leitartikel der Frankfurter Rundschau zu Ausdruck gebrachte Mahnung, „Es wäre viel gewonnen, wenn jetzt keine Debatte über den Lokalpolitiker Buschkowsky entsteht“, blieb leider ungehört. Ein Diffamierungskartell, das fürchtet, die Meinungshoheit über ein ihm ohnehin entgleitendes Problem zu verlieren, zwingt der Öffentlichkeit und somit auch uns diese Debatte auf, da Schmähkritik nicht unwidersprochen bleiben darf. Wir fordern eine Rückkehr zu den Sachthemen der Integration. „Neukölln ist überall“ bietet dafür gute Ansatzpunkte.

Nicht wenige der Kritiker zeigen selbst eine fragwürdige paternalistiche Haltung gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund und sind bislang bei der Bekämpfung gravierender Probleme und Gefahren in der Einwanderungsgesellschaft („Ehrenmord“, Zwangsheirat usw.) kaum bemerkbar in Erscheinung getreten. Da sie eine aufrichtige Debatte um Integrationsdefizite behindern, sind sie Teil des Problems und nicht Teil der Lösung. Verräterdebatten wie die gerade stattfindende, in der der gute Ruf Neuköllns höher gewichtet wird als die Überwindung der Probleme Neuköllns, sind nicht zielführend. Einen Bürgermeister, der „seinen Bezirk schlechtredet“, in die Rolle des Nestbeschmutzers zu drängen, zeugt von einem Mangel an Kritikfähigkeit und demokratischer Debattenkultur.

Sieben der Neuköllner Initiativen, die sich gemeinsam öffentlich gegen Heinz Buschkowsky positioniert haben, wurden von uns mit der Bitte angeschrieben, die Anstoß erregenden Passagen des Buches exakt zu benennen. Vier davon haben nicht geantwortet. Eine hat uns in einem kurzen Schreiben auf später vertröstet, eine andere hat lediglich eine einzelne Textstelle angegeben, die bereits mehrfach in der Presse zitiert worden war. Die siebente hat drei Textstellen präsentiert, in denen auch bei näherer Betrachtung nichts Anstößiges zu finden ist. Mit anderen Worten: Bis jetzt ist nicht der Eindruck entstanden, dass bei den als Kritikern auftretenden Initiativen eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit dem Text stattgefunden hat. Die Behauptung, Buschkowskys Buch würde die Arbeit dieser Initiativen erschweren oder bei Betroffenen gar „psychologische Belastungen“ hervorrufen, halten wir für wenig überzeugend. Durchaus denkbar ist aber, dass bei manchen Initiativen auch der Gedanke eine Rolle spielt, dass Buschkowskys Buch die Forderung nach mehr Erfolgskontrollen bei der Integrationsarbeit zur Folge haben könnte - und dass solche Kontrollen letztendlich dazu führen könnten, den Fluss weiterer staatlicher Gelder für die nachprüfbar erfolglosen Initiativen infrage zu stellen.

Wir treten Rassismus und Fremdenfeindlichkeit genauso entschieden entgegen wie allen gegen die Menschenrechte, Rechtsstaat, Demokratie und Pluralismus gerichteten Ideologien und Bewegungen, gleichviel ob sie religiös oder weltanschaulich begründet werden. Unbegründete Rassismusvorwürfe sind aber dem Kampf gegen wirklichen Rassismus abträglich. Eine an humanistischen Leitideen orientierte Integrationsdebatte zeichnet sich dadurch aus, dass sie den Menschen unabhängig von seiner Herkunft als mündiges Wesen ernst nimmt und auf eine pauschalisierende Viktimisierung verzichtet. Ein von Paternalismus geprägter Opferdiskurs, wie er in den Kreisen der Problemverharmloser gepflegt wird, ist nicht das Gegenteil des rechtsextremen Täterdiskurses, sondern seine spiegelbildliche Entsprechung. In einem Land die Einhaltung der hiesigen Gesetze einzufordern, ist mitnichten, wie Buschkowsky von der Gegenseite unterstellt wird, ein rechtspopulistisches Argumentationsmuster, sondern ein legitimer Aufruf zur Anerkennung einer auf Menschenrechten und demokratischer Entscheidungsfindung beruhenden säkularen Rechtsordnung.

Wir fordern daher eine aufrichtige, offene, sachliche und problemorientierte Integrationsdebatte, die Verunglimpfungen kritischer Stimmen vermeidet und keine Tabus aufbaut.

Mina Ahadi, Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime e. V.
Desiree Arleth, peri e. V.
Thomas Baader, Pressesprecher von peri e. V. Verein für Menschenrechte und Integration
Güner Balci, Schriftstellerin und Journalistin
Wolfgang Benn, Arzt und Psychotherapeut
Dr. Frank Berghaus, Hrsg. von
www.wissenbloggt.de und Gründer der Initiative Humanismus
Brigitta Biehl, Köln, Rechtsanwältin, 2. Vorsitzende peri e. v.
Dr. Ronald Bilik, Freidenkerbund Österreich
Serap Çileli, Frauenrechtlerin und Vorsitzende peri e. V. Verein für Menschenrechte und Integration
Dr. Norma Driever, Soziologin, Dichterin, TERRE des FEMMES e.V.
Gernot Ecke, Beamter
Free Minds (betroffene Musliminnen und Muslime, aus Sicherheitsgründen anonymisiert)
Bernd Gast, Musiker und Lyriker
Miriam Geoghegan, Soziologin und wissenschaftliche Übersetzerin
Dr. Ralph Ghadban, Islamwissenschaftler und Politologe, Berlin
Rainer und Elisabeth Grell, Stuttgart
Dr. Assia Maria Harwazinski, Islam- und Religionswissenschaftlerin, Tübingen
Albrecht Hauser, Kirchenrat i. R.
Prof. Dr. Dr. Gunnar Heinsohn, Ökonom und Soziologe
Christiane Höhmann, Lehrerin und Autorin, Paderborn
Hans-Michael Höhne-Pattberg, Mitglied der Piratenpartei
B. Jakobi, Personalleiterin
Sabatina James, Sabatina e. V.
Klaus Jansen, Bundesvorsitzender 2003-2011 Bund Deutscher Kriminalbeamter
Dr. Johannes Kandel, Publizist und Politikwissenschaftler, Berlin
Maria und Manfred Keller, peri e. V. (Schwerpunkt Betreuung)
Hartmut Klimm, Diplom-Ingenieur
Michael Körner, KV Ettlingen Bündnis 90/Die Grünen
Tina Kohaus, Fernsehjournalistin
Hartmut Krauss, Gesellschaft für wissenschaftliche Aufklärung und Menschenrechte (GAM)
Vera Lengsfeld, Autorin, frühere DDR-Bürgerrechtlerin und MdB a. D.
Doro Meuren, peri e. V., AK Grüne für Säkularstaat, KV Neckar-Bergstraße, Terre des Femmes e. V.
Thomas Müller, Ryszard Kotonski, Verein für Aufklärung und Freiheit (VAF e. V.)
Paul Nellen, Politologe und Journalist, Mitglied der Grünen Hamburg
Roland Preuß, Journalist, München
Eva Quistorp, MdEP a. D., Theologin, Autorin
Dr. Martin Riemer, Rechtsanwalt, Brühl/Rheinland
Thomas Riese, Landschaftsarchitekt, Pistoia (Italien)
Prof. Dr. Bernhard Sabel, Direktor  Institut für medizinische Psychologie Magdeburg
Kornelia Sabel, Unternehmensberaterin, Berlin
Prof. Dr. Wolf-Dieter Schleuning, Arzt
Dr. Michael Schmidt-Salomon, Giordano-Bruno-Stiftung
Georg Schnellbächer, Kommunalpolitiker und Lehrer i. R.
Teresa Schrezenmaier, Unternehmensberaterin
Collin Schubert, Psychologin, Terre des Femmes e. V.
Ronald Schulze, BDK, Bernau
Prof. Dr. Ursula Spuler-Stegemann, Islamwissenschaftlerin
Dr. Cora Stephan, Schriftstellerin und Publizistin
Christa Stolle, Bundesgeschäftsführerin Terre des Femmes e. V.
Dr. Thomas Tartsch, Publizist und Sozialwissenschaftler, Datteln
Arzu Toker, Schriftstellerin und Journalistin
Karin Vogelpohl, HINTERGRUND-Verlag
Dr. Wahied Wahdat-Hagh, Sozialwissenschaftler
Eugen Wahl, Nürtingen, Lehrer
Ragini Wahl, Nürtingen, Ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit
Prof. Dr. Lars Wellejus, Ökonom
Michael Wieck, Violinist, Autor und stellvertretender Vorsitzender der Europäischen Gesellschaft für Politik, Kultur, Soziales e.V. „Diaphania“
Marie Wildermann, Journalistin, Berlin
Melanie Winzer, Rechtsanwältin, Frankfurt a.M.

Rasse schlägt Geschlecht: Das Schere-Stein-Papier der Diskriminierung
04.11.2012 10:14:15

Rasse schlägt Geschlecht: Das Schere-Stein-Papier der Diskriminierung
von Thomas Baader

Für den O.J.-Simpson-Prozess griff man auf einen Richter japanischer Herkunft zurück. Man wollte in einer heiklen Frage, die sich zu einem Konflikt zwischen schwarzer und weißer Bevölkerung ausweiten könnte, einen Richter haben, der keinem der beiden Lager zugerechnet wird. Weder Schwarzer noch Weißer zu sein, schien als Garant für Neutralität zu gelten.

Nun könnte man aber auf dem Standpunkt stehen, dass sich der Simpson-Mordfall eigentlich nicht primär um Hautfarben drehte. Es ging schließlich darum, dass ein Mann unter dem Verdacht stand, seine Ex-Frau ermordet zu haben. Eine Angelegenheit der Geschlechter, nicht der "Rasse"? Wieso wurde es eigentlich als unproblematisch empfunden, einen männlichen Richter zu haben? Ein schwarzer oder weißer Richter war schließlich bewusst vermieden worden. Nun kann man, anders als bei Hautfarben, im Falle von Geschlechtern eher schwer auf eine dritte Alternative ausweichen. Trotzdem ist auffällig, dass man sich mehr Gedanken um die Hautfarbe des Richters machte als um sein Geschlecht, obwohl eine Beziehungstat vorlag.

Michael Moore äußerte sich dazu folgendermaßen:
"Die meisten Weißen sind sehr empört über das Urteil in O.J. Simpsons Fall. Sehr empört. Aber warum eigentlich? Weil man einen Mörder laufen ließ? Das passiert doch jeden Tag! Weil O.J. seine Frau geschlagen hat? Entschuldigung, das tut doch euer Nachbar auch. Gerade jetzt. Habt ihr schon die Polizei gerufen, oder wollt ihr euch lieber nicht einmischen? "

Das Verfahren gegen Simpson wird heute von vielen Experten als fehlerhaft und dilettantisch kritisiert. In diesem Sinne gilt es durchaus als Skandalurteil. Trotz des Freispruchs im Strafprozess wurde Simpson in einem späteren Zivilprozess zur Zahlung von 33,5 Millionen Dollar an die Hinterbliebenen verurteilt. Ist es ein Skandal, dass sich die meisten Weißen über das Urteil im Strafprozess aufregen, wie Moore sagt, oder ist es ein Skandal, dass viele Schwarze es aus einer falschen Solidarität heraus nicht tun?

Als Peri e. V. und Terre des Femmes gemeinsam einen Trauermarsch für das Ehrenmord-Opfer Arzu Özmen veranstalteten, kündigte Pro NRW kurzfristig an, ebenfalls an dem Gedenken teilnehmen zu wollen. Nun betrachten wir noch einmal kurz die Fakten: Auf der einen Seite das "Ehrverbrechen" an einer jungen Frau, die sich nicht patriarchalischen Regeln beugen wollte - auf der anderen Seite der Auftritt einer fremdenfeindlichen Gruppierung. Nun raten Sie mal, was ab diesem Moment für einen Großteil der Presse das entscheidende Thema geworden war: Richtig, die ermordete Frau trat in den Hintergrund, und eine bedeutungslose Splitterpartei hatte es mit einer bloßen Ankündigung geschafft, ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu gelangen. Schere, Stein, Papier - in der heimlichen Diskriminierungshierarchie schlägt die Kategorie "Rasse" (oder mit ihr unrichtigerweise gleichgesetzte Kategorien wie Religion oder Ethnie) automatisch die Kategorie "Geschlecht". Es war schwer, den Journalisten auszureden, Pro NRW zum Schwerpunkt ihrer weiteren Berichterstattung über den Trauermarsch zu machen. Es bedurfte zahlreicher Bitten und Distanzierungen. Dass Pro NRW keine Parteibanner entrollen durfte, war vorneherein klar gewesen. Am Ende lag der Fokus wieder dort, wo er hingehörte: auf dem eigentlichen Opfer. Aber es war eine Kraftanstrengung nötig gewesen, und die Leichtfertigkeit, mit der Journalisten vom eigentlichen Thema abkommen, weil sie meinen, etwas Brisanteres gefunden zu haben, hat viele der Menschen, die sich für Arzu Özmens Gedenken eingesetzt haben, sehr zornig gemacht.

Auch die kulturrelativistisch begründete Verteidigung der Burka durch westliche Politiker und Intellektuelle ist ein Möchtegern-Antirassismus, der auf Kosten von Frauenrechten geht. Manche Zeitgenossen scheinen Rassismus für die schlimmste Form der Diskrimnierung überhaupt zu halten. Dabei ist es für einen Menschen völlig gleichgültig, ob er wegen seiner Hautfarbe, seiner Religion, seines Geschlechts oder seiner sexuellen Orientierung ermordet wird. Hier eine Hierarchie etablieren zu wollen, ist im Kern ein antihumanistisches Unterfangen.

Unsere Öffentlichkeit reagiert äußerst sensibel auf Rassismus. Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte ist das verständlich. Es führt aber nichtsdesoweniger zu absurden Situationen, wenn Rassismus zur dominanten Kategorie wird in Fällen, wo es eigentlich um eine Diskriminierung völlig anderer Art geht. Judith Butler etwa sorgte sich darum, dass Homosexuelle zu wenig vorgingen gegen Antimuslimismus in den eigenen Reihen. Warum gilt ihre Sorge nicht den Muslimen, die zu wenig gegen Homophobie in den eigenen Reihen unternehmen? Was ist wohl realistischerweise als das größere Problem zu sehen - Muslime, die Schwule diskriminieren, oder Schwule, die Muslime diskriminieren? Im Fall von Judith Buter wird die Welt einzig und allein durch die antirassistische Brille gesehen, was im konkreten Fall die Gestalt einer Täter-Opfer-Umkehr annehmen kann.

Wer einmal auf einer Veranstaltung zum Thema Ehrenmord und Zwangsverheiratung gewesen ist, wird mit großer Wahrscheinlichkeit folgende Erfahrung gemacht haben: Ab einem bestimmten Zeitpunkt wird nicht mehr über vergewaltigte und ermordete Frauen gesprochen, sondern über "Islamophobie". Selbst wenn die Referenten das Thema auf eine völlig korrekte Art und Weise behandeln (was häufig vorkommt), schaffen es in der anschließenden Zuschauerdiskussion beleidigte Muslime und besorgte Nicht-Muslime, dass nun 30-60 Minuten lang über seelische Verletztheiten innerhalb einer Religionsgemeinschaft gesprochen wird und nicht über Mädchen, die von ihrem eigenen Vater verbrannt wurden. Kann man sich eine Veranstaltung zum Thema Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern vorstellen, bei der hauptsächlich über den guten Ruf der Ostdeutschen debattiert wird statt über Opfer rassistischer Gewalt? Trotzdem gelingt es fast immer den genannten Akteuren, die Debatte um "Ehrverbrechen" zu verweigern und stattdessen das Gespräch auf die angeblichen eigentlichen Opfer zurückzulenken. Wieder mal gilt: Nichts kann so schlimm sein wie die Diskriminierung dieser Bevölkerungsgruppe.

Noch nicht einmal die Diskriminierung ihrer eigenen Frauen durch diese Bevölkerungsgruppe selbst.  

Post von der neuen RAF
04.11.2012 09:12:42

Post von der neuen RAF
von Thomas Baader

Anfang Oktober schrieb ich zwei Artikel zum Mord an einer Mitarbeiterin eines Jobcenters in Neuss:

Jobcenter Neuss: Die Tat eines Intensivopfers
http://www.menschenrechtsfundamentalisten.de/page8.php?post=1063

Die Wutbürger sind unter uns
http://www.menschenrechtsfundamentalisten.de/page8.php?post=1066

Bei der "Achse des Guten", wo diese beiden Artikel ebenfalls veröffentlicht wurden, ging damals ein Leserbrief für mich ein und wurde dort auch veröffentlicht. Da ich finde, dass das Schreiben nicht ganz untergehen sollte, zitiere ich es an dieser Stelle noch einmal (Hervorhebungen von mir):

"Sehr geehrter Herr Bader,
Sie sehen die Welt offensichtlich nicht so wie sie ist:
Wenn das Arbeitsamt (PR: Jobcenter) einen Familienvater in eine existenzielle Krise bringt und dieser Mann keine Aussicht auf eine sofortige Verbesserung der Situation, insbesondere dann wenn das Gefühl der Unrechtsbehandlung sich aufstaut, ist die Reaktion eine Kompensationshandlung.
Die Arbeitsamtmitarbeiter mögen zwar die asozialen Gesetze(bürgerlich nicht gewollte Gesetze) einer nicht gewählten Regierung als Befehlsempfänger umsetzen müssen, aber sind als ausführendes Organ gleichzeitig Täter.
Ich kann daher gut nachvollziehen, dass Mitarbeiter eines „Unrechtssystem“ für „ihre Taten“ entsprechend zur Verantwortung gezogen werden.
Vielleicht sollten Sie in Ihren Hassschreiben gegen den Andersdenkenden darüber mal nachdenken.
Mit freundlichen Grüßen
Roland Tluk"

Da ist sie wieder, die alte Denke, die eine Linie ziehen lässt bis zur RAF, vielleicht sogar darüber hinaus bis in die Tage der SA. Frei nach dem Motto: Wir gegen das Unrecht, wir gegen den Hass - also lasst sie uns alle töten!

Kenan Kolat kennt sich aus
02.11.2012 06:10:44

Lesehinweise

Kenan Kolat 2012:
Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, sagte, Deutschland habe ein "riesiges Rassismusproblem".
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-11/nsu-aufklaerung-kritik

Kenan Kolat 2009:
Im brandenburgischen Lehrplan werden die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich in den Jahren 1915 bis 1918 als „Genozid“ bezeichnet. Dies, so Kolat in dieser Woche in der türkischen Zeitung „Hürriyet“, setze die türkischstämmigen Schüler unter einen „psychologischen Druck“, der sie in ihren schulischen Leistungen beeinflusse, und es „gefährde den inneren Frieden“. Er werde sich deshalb mit dem Brandenburger Ministerpräsidenten treffen und diesen darum bitten, die Vorwürfe aus dem Lehrplan zu streichen, kündigte Kolat an. Auch die geplante Gedenkstätte für den Potsdamer Pfarrer Lepsius, der den Genozid dokumentierte, will Kolat verhindern - der Brief an Angela Merkel sei schon unterwegs.
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/voelkermord-im-lehrplan-die-armen-schueler-1838263.html

Buschkowsky-Gegner hetzt gegen "assimilierte Migranten"
29.10.2012 18:27:00

Buschkowsky-Gegner hetzt gegen "assimilierte Migranten"
von Thomas Baader

Buschkowsky-Gegner können durchaus Rassismus, wie wir immer wieder feststellen müssen. Nehmen wir einen gewissen Michael Klein, der im Kommentarbereich der taz unter einem entsprechenden Artikel gegen Buschkowsky und jene streitet, die ihn verteidigen. Die schönste Stelle ist aber: Wie "deutsch" ein Migrant überhaupt sein darf, bestimmt letzten Endes natürlich der deutsche Herr Klein. An einen anderen Kommentator gerichtet schreibt er nämlich:

"Dass Sie aus einer Migrantenfamilie kommen, ist wahrlich interessant, muss aber noch lange nichts bedeuten! Entweder sagen Sie nicht die Wahrheit (was ich IHnen nicht unterstellen möchte), oder Sie gehören zu der Kathegorie der sogenannten assimilierten Migranten, die schon lange ihre Wurzeln über Bord geworfen haben, somit noch deutscher sein wollen, als die Deutschen Bürger selber und sich somit dem rechtsbraunen Mainstream anbiedern! Personen dieser Art von Migranten haben wir ja en masse: Necla Kelek, Mina Ahadi, Güner Balci, Seyran Ates, Ayaan Hirsi Ali, Hendryk M. Broder etc. etc."

Tja, Herr Klein, an dieser Stelle ein Hinweis: Seit der Arierparagraph in Deutschland wieder abgeschafft wurde, entscheidet nicht die Herkunft eines Menschen darüber, wie deutsch er sich fühlen darf. Es mag Ihnen auf den Senkel gehen, aber bislang hat noch keiner Sie in irgendeine Position gehoben, die es Ihnen eine solche Entscheidungsgewalt geben würde. Der Migrant muss leider immer noch nicht den Herrn Klein aus dem Kommentarbereich der taz fragen, ob er sich deutsch fühlen darf. Bei Ayaan Hirsi Ali müssen wir allerdings ohnehin davon absehen, denn dem Herrn Klein ist wohl entgangen, dass diese tapfere Frau keine Deutsche, sondern Niederländerin ist.

Bei rassistischer Hetze gegen "assimilierte Migranten", die man sich gerne weiterhin als "edle Wilde" (er)halten will, um sich als guter Mensch fühlen zu dürfen, kommt wahrlich "antirassistische" Freude auf. Wer schon immer in der Vergangenheit den Vorwurf erhoben hat, fanatische Multikulturalisten würden fremde Menschen unveränderbar an ihre Wurzeln ketten wollen und ihnen zwar ein Recht auf Verschiedenheit, nicht aber ein Recht auf Ähnlichkeit zugestehen wollen - der kann sich nun bestätigt fühlen. Bei Michael Klein wird das Recht auf Verschiedenheit zur Pflicht auf Verschiedenheit.

Halt, das war noch längst nicht alles von Herrn Klein: Jetzt kommen nämlich die "jüdischen Verwandten" hinzu, die alle wissen, dass Juden (vermutlich nicht verwandt) auch Hitler-Bewunderer gewesen sind:

"Wie ich von jüdischen Verwandten erfahren habe, gab es seinerzeit auch Juden, die Hitler verehrt haben, die sich an den rechten Hetzen an jüdischen Flüchtlingen aus Russland und POlen beteiligt haben, die wie der größte Teil der deutschen Bevölkerung die Demagogie von Hitler und Goebbels unterschätzt haben!"

Und wie ich von meinen katholischen Verwandten erfahren habe, hatte Hitler einen blöden Schnurrbart. Weiter im Text.

Ich hatte nämlich zuvor im Kommentarbereich der taz darauf verwiesen, dass Buschkowsky im Gegensatz zu dem, was seine Kritiker behaupten, sehr wohl Positivbeispiele für Integration nennt (nur eben nicht den Schwerpunkt darauf legt). Besonnen, kompetent, rechtschreibsicher und sachlich antwortete mir Herr Klein in einem anderen Leserkommentar:

"Wo in dem Buch werden ERfolgserlebnisse benannt? Leiden Sie an Sehschwierigkeiten oder verwechseln Sie rassistische Hetze mit ERfolgserlebnissen? Die menschliche Dummheit, die ja schon Albert Einstein zu seinen Lebzeiten geisselte, greift immer mehr um sich, das ist schon beängstigend! Herr lass Hirn vom Himmel regnen und säubere die verdreckten Gehirne zahlreicher deutscher Bundesbürger!"

Und siehe da, in den Tiefen meines verdreckten Gehirnes grabe ich nach der Antwort auf die Frage "Wo werden in dem Buch Erfolgserlebnisse benannt?"

Die Antwort lautet: auf den Seiten 59-60, 79-81, 112-113, 286-290, 301-302, 311-312 und 322-324. Viel Spaß beim Lesen!

Link zum Artikel und den Leserkommentaren:
http://www.taz.de/Initiativen-verteidigen-Neukoelln/Kommentare/!c104381/

Jusos ohne Lesekompetenz
28.10.2012 08:29:46

Jusos ohne Lesekompetenz
von Thomas Baader

Ach, nicht schon wieder. Schon wieder jemand, der sich mit Buschkowskys Buch befasst, ohne sich mit Buschkowskys Buch befasst zu haben. Was wie ein Ding der Unmöglichkeit klingt, ist leider mittlerweile das Standardverfahren der "Kritiker".

Auf dem Juso-Blog schreibt Matthias Ecke: "Eine Einladung im Namen des Parteivorsitzenden, in der der NPD-Jargon 'Überfremdungsängste' unkritisch, ja zustimmend als Gegenwartsanalyse zitiert wird, verschlägt mir wirklich den Atem."

In Buschkowskys Buch geht es aber wörtlich darum, Überfremdungsängsten "entgegenzutreten". Das ist in der von Ecke zitierten Einladung wieder aufgenommen worden. Mit anderen Worten, die Botschaft lautet eigentlich: "Es gibt Menschen, die Angst davor haben, 'überfremdet' zu werden - dagegen müssen wir gemeinsam etwas tun". Das ist sinngemäß die Botschaft von Buschkowsky, wohlgemerkt, und mit Sicherheit nicht die Botschaft der NPD. Ganz nebenbei: Wer die Einladung richtig liest, der wird merken, dass dort steht, dass Buschkowsky "Alarm Schlage" - unter anderem wegen "Überfremdungsängsten". Wer wegen einer Sache Alarm schlägt, lehnt sie ab - ebenso wie die anderen dort in der Einladung aufgelisteten unschönen Dinge wie "Arbeitslosigkeit" und "Zoff auf den Straßen".

Peinlich, peinlich. Nun stellen wir uns mal vor, in der Einladung einer zukünftigen Veranstaltung anderer Art würde stehen: "Alarmierend sind die Zustände, die uns allerorts begegnen: Zoff, Arbeitslosigkeit, Rassenwahn..."

Vermutlich würde Ecke schreiben: "Schon in der Einladung wird von Rassen schwadroniert."

Aber wer mit Naika Foroutan als Gewährsfrau im Gepäck versucht, jemandem Rassismus nachzuweisen, steht ohnehin auf verlorenem Posten. Matthias Ecke sollte sich mal jene Texte zu Gemüte führen, die mit Foroutans Aussagen analytisch verfahren und sie als substanzlos entlarven.

Lieber Herr Ecke, lassen Sie sich von jemandem, der aus der ehrenamtlichen Menschenrechts- und Integrationsarbeit kommt, sagen: Das, was Sie in Ihrem Text als Gegenentwurf zu Buschkowsky inszenieren, ein Juso-Integrationskonzept quasi - dieses Konzept ist leider keines.

Ein kleines Schmankerl noch am Schluss, um zu zeigen, wie diese Art "Kritik" funktioniert. Unter dem Artikel von Matthias Ecke schreiben Leser folgende Kommentare:

Nr. 1: "Hallo, kenne zwar das Buch nicht, gebe aber dem Matthias Recht. [...]"

Nr. 2: "[...] Und dazu tragen genau solche Bücher leider bei. Aber um eins klar zustellen, keiner muss das Buch lesen um eine Meinung haben zu können. [...]"

Wozu habe ich mir eigentlich eben die Mühe gemacht? Den nächsten Text von Matthias Ecke kommentiere ich, ohne ihn gelesen zu haben.

Link zum Text:
http://blog.jusos.de/2012/10/buschkowsky-zerrbild-der-spd-integrationspolitik/

Islamophobie - Parallele in den Abgrund
22.10.2012 19:30:46

Islamophobie - Parallele in den Abgrund
von Oliver M. Piecha und Thomas von der Osten-Sacken

Islamistische Lobbies haben den Begriff der "Islamophobie" konstruiert, um ihn mit dem des Antisemitismus zu parallelisieren. Westliche Intellektuelle machen sich zu Nachbetern dieser Ideologie.

Holland, die Schweiz und sogar das nette Dänemark; es scheint tatsächlich mehr als besorgniserregend: europäische Parteien stacheln "anti-muslimische Ressentiments" auf und versuchen mit "Islamophobie" Wählerstimmen einzuheimsen. Der Trend erinnert an "den Beginn der 1930er Jahre, als Antisemitismus, Faschismus und Nazismus politisch auf der Tagesordnung standen".

Wer hat das gesagt? Wolfgang Benz, der Urheber der hiesigen Islamophobie-Debatte (hier verficht er die These auf Muslim-Markt)? Einer der anderen jüngsten Verteidiger dieses ominösen Begriffes, Micha Brumlik (hier seine Verteidigung Benz' in der FR) vielleicht, oder Alan Posener (hier)? Oder stand es im jüngsten Critical-whiteness-post-colonial-studies-Aufsatzband?  Das Seltsame ist, sie alle hätten es so sagen können, das mahnende Wort gegen "Islamophobie" kommt allerdings von Ekmeleddin Ihsanoglu, dem Chef der "Organisation der Islamischen Konferenz", also dem Dachverband von 57 islamischen Staaten, der auch ein Islamophobia Observatory unterhält.

Wer so redet, der sollte jedenfalls wissen, wovon er spricht. Es geht also um das Ganze, wir alle wissen, was nach dem "Beginn der 1930er Jahre" folgte; Machtergreifung, "Reichskristallnacht", Auschwitz. Wie gut, dass  Ihsanoglus Stellvertreter, ein Herr namens  Abdullah Alam, zeitgleich im Oktober 2010 noch präzisierte, es gehe um "zionistische Verschwörungen" und alle muslimischen Nationen aufrief, sich gegen die "Feinde des Islam" zu vereinigen.

Aber so etwas anzuführen ist womöglich nicht nur polemisch, sondern selbst schon ein wenig "islamophob".

Farid Hafez hat im Perlentaucher Pascal Bruckner vorgeworfen, er "degradiere" und "missbrauche" die "Islamophobie" als Kampfbegriff (hier Bruckners Perlentaucher-Artikel). Hafez findet es vor allem nicht korrekt, dass Bruckner auf den interessengeleiteten Ursprung des Begriffes hinweist: er liegt in der "Islamischen Republik Iran". Dort hat man übrigens mittlerweile auch schon die "Iranophobie" entdeckt, und die - kein Witz - "Shiitephobia".

Es soll also dezidiert nicht interessieren, wie und dass das Konstrukt der "Islamophobie" durch bestimmte Staaten und islamistische Interessengruppen genutzt wird, und durchgesetzt werden soll. Wir sollen auch besser keinen Blick darauf werfen, für welche politischen Absichten dieser Begriff in die Welt gesetzt worden ist. Wieso eigentlich nicht? Den staatlichen Verfechtern des Konstrukts der "Islamophobie" geht es doch um Deutungshoheit und Denkverbote. Am liebsten würden sie mittels der UN erreichen, dass Kritisches zum Islam weltweit geächtet wird. Um nichts anderes dreht es sich hier. Pascal Bruckner hat das Wesentliche dazu gesagt.

Aber warum findet die "Islamophobie" neben islamistischen Propagandisten und Vertretern autoritärer Regierungen auch im Westen zunehmend rührige Vertreter? Und warum speziell auch in Deutschland? Es könnte ja zusätzlich irritieren, dass die überwiegende Mehrzahl der Befürworter dieses Begriffskonstrukts sich wohl selbst als links einstufen würde, vielleicht auch als liberal, jedenfalls bestimmt tolerant, weltoffen, aufgeklärt antirassistisch und mit wachem, kritischem Blick versehen. Warum wollen sie alle die "Islamophobie" so unbedingt nach Hause tragen?

Zuerst einmal muss der Begriff allerdings stubenrein gemacht werden, zu deutlich ist sein Herkommen. Das Verfahren dabei ist etwas simpel: Da der Begriff des "Antisemitismus" ursprünglich durch Antisemiten erfunden worden ist, sollte man also der "Islamophobie" ihre Herkunft auch nicht vorwerfen dürfen. Und es gibt sie schließlich wirklich, die Islamophobie, oder?

Was es jedenfalls gibt, ein Blick auf den grundsätzlich in diesem Zusammenhang immer und immer wieder angeführten Blog Political Incorrect beweist es ebenso wie die Online-Leserkommentare etwa der Welt, es existiert ohne Frage ein Rassismus der sich gezielt gegen Muslime richtet. Er bleibt allerdings ein letztlich randständiger Bereich, der sich ja gerade dadurch manifestiert, dass hier viele Einzelkämpfer sich gegenseitig ihre Blogs voll schreiben und bizarrerweise selbst längst eifriger Suren studieren, als ein durchschnittlicher gläubiger Muslim.

Ginge es nur um eine Abgrenzung vom arg strapazierten Begriff des Rassismus, man könnte dem Unterfangen der "Islamophobie" ja noch gelindes Verständnis entgegen bringen. Längst nämlich ist "Rassismus" zu einer Floskel verkommen, die gegen alle und jede in Anschlag gebracht werden kann. Was jedoch diesen "muslimfeindlichen" Rassismus so spezifisch von jenem unterscheiden soll, der sich in den neunziger Jahren in regelrechten Pogromen gegen "Asylanten" entlud, das bleibt unklar. Und der Fall der 2009 in einem Dresdner Gerichtssaal ermordeten Ägypterin Marwa El-Sherbini steht nicht nur wegen der Bestialität der Tat singulär da. Das zeigte sich auch in der umgehenden und intensiven propagandistischen Instrumentalisierung des Falles durch islamische Länder. Es gibt eben keine antimuslimischen Pogrome in Europa. Wir könnten es sonst täglich auf den Newsportalen der "Islamischen Republik Iran" lesen.

Was es allerdings gibt, das ist ein Kulturkampf, den keineswegs Samuel Huntington erfunden hat, sondern der vom Islamismus den offenen Gesellschaften des Westens wie den freiheitlichen Regungen im islamisch geprägten Teil der Welt erklärt worden ist. Als Ausgangsdatum mag man das Jahr 1979 nehmen, mit der Revolution im Iran und dem, was aus ihr geworden ist. Und in diesem Kampf geht es um ganz konkrete Dinge, wie die schleichende Etablierung von Geschlechterapartheid in westlichen Gesellschaften und die Erringung einer Art Sonderstellung für "den Islam", kurz die Etablierung der Scharia als Alternative zu weltlichen Gesetzen. Und bisher war das einigermaßen erfolgreich für den Islamismus. Der Angriff auf die Meinungsfreiheit hat längst zu einer Selbstzensur im Westen geführt - und der Begriff der "Islamophobie" soll sie weiter zementieren.  Islamkritik, wie auch immer sie sich äußert, kann heute auch in Europa tödliche Folgen haben. Das Schicksal von Theo van Gogh vor Augen, überlegt man sich dieser Tage lieber zweimal, wie heftig man den Islam und seinen Propheten denn kritisieren mag.

Nehmen wir einen weiteren seltsamen Umstand hinzu: Der potenziell beleidigte Muslim schafft politischen Mehrwert. Der real verfolgte Christ nicht. Interessanterweise spricht niemand - und schon gar nicht die Entdecker der "Islamophobie" - von, sagen wir, Christophobie. Immerhin sind Christen weltweit die am meisten bedrängte religiöse Gruppe (mit Ausnahme der Bahais im Iran). Verfolgt und diskriminiert vor allem, aber nicht nur, in sehr vielen muslimischen Ländern. Ein Zufall?

Worin liegt also der politische Mehrwert der "Islamophobie"?

Zuerst einmal in dem Umstand, dass für die Verfechter dieses Konstrukts ihre kleine heile Welt wieder ins rechte Lot rutscht. Natürlich ist es irritierend, dass Rechtspopulisten im Zeichen ihrer Islamobsession plötzlich die Liebe zu Israel entdecken, und Meinungsfreiheit und Frauenemanzipation als abendländische Errungenschaften feiern. Und man selbst als aufrechter Linker und Antirassist sich dagegen mittlerweile Seite an Seite mit Islamisten und reaktionären Klerikern wiederfindet und für Kopftücher und religiöse Zwangsidentitäten einstehen muss. Aber wenn es denn so etwas wie "Islamophobie" gibt, dann ist der eigene Kampf auch hier wieder ein aufrechter.

Aber es geht um noch mehr; schließlich soll die "Islamophobie" keinesfalls nur als ein Rassismus unter anderen erscheinen. Nein, sie muss gleich ganz wo anders verankert werden, denn wer sie nicht irgendwie mit Antisemitismus vergleicht, in Verbindung bringt oder doch zumindest abgrenzt, hat die Spielregeln nicht verstanden. "Ist Islamophobie der moderne Antisemitismus?" fragt deshalb treffsicher Micha Brumlik in der Frankfurter Rundschau. Er hat verstanden. Alleine schon der Vergleich selbst verschafft dem Begriff nämlich eine Bedeutung, ja Aura, die er alleine so keineswegs hätte. Und so mussten sich gerade in Deutschland die Antisemitismusforscher seiner annehmen, um ihn hoffähig machen zu können. Auf einer Tagung in Tutzing, die ausgerechnet vom Moses-Mendelssohn-Zentrum mit veranstaltet wird (Programm), werden sich die Referenten im Januar laut Einladung etwa den "Vorurteilen gegen Juden und Muslimen widmen", um "Möglichkeiten und Grenzen des Vergleichs auszuloten".

Die "wissenschaftliche" Beweisführung dabei ist arg dünn. Man vergleicht historisch. Und man sagt gleich immer dazu, dass man natürlich vergleichen dürfe. Es klingt nicht umsonst nach jener fürchterlichen Sprachfigur, die früher gang und gebe war: Man wird doch noch sagen dürfen, dass?

Tatsächlich kann man alles Mögliche miteinander vergleichen, die Methode allein ist nicht besonders ergiebig und trägt nicht weit. Und die Erkenntnis? Als Kurzfassung: Treitschke hat früher was gegen Juden gesagt, Sarrazin heute gegen Muslims, ergo? Vollenden Sie den Satz selbst. (Für Patrick Bahners, Feuilletonchef der FAZ, ist Necla Kelek der Treitschke des 21. Jahrhunderts, mehr hier, in seinem im Februar erscheinenden Buch gegen "Die Republik der Islamkritiker" wird er die These zementieren.)

Wer sich heutzutage nurmehr in diskurstheoretischen Äußerungen über Feindbildkonstruktionen und "Vorurteile" auslassen kann, behauptet damit von sich nicht einmal mehr, einen Begriff von Gesellschaft zu haben. Die so genannte Judenfrage war im 19. Jahrhundert eine um die Verfasstheit bürgerlicher Gesellschaft selbst. Allgemeine Emanzipation, so die Forderung zu vieler Aufklärer, habe die Juden zu Staatsbürgern zu machen, ihr Sonderstatus müsse beseitigt werden. Freiheit sollte eine seine, in der jede vormoderne, vor allem religiös begründete Differenz zu eliminieren sei. Dass ausgerechnet die Juden ins Zentrum dieser Debatte gerieten, ja von Voltaire bis Treitschke sich die Geistesgrößen des 18. und 19. Jahrhunderts manisch an ihnen abarbeiteten, ist zugleich nicht nur verheerend für die Juden gewesen, sondern zeigte immer auch die Grenzen der bürgerlichen Emanzipation auf. Ihr Misslingen machte die Vernichtung der Juden im Jahrhundert danach erst möglich. Suchte man diskriminierte Gruppen im vorletzten Jahrhundert, man könnte sich den Polen in Deutschland oder Protestanten in Frankreich zuwenden und ihre Lage mit europäischen Muslimen der Gegenwart vergleichen. Dabei ginge es dann tatsächlich um Fragen nach "Vorurteilen" und parziell rassistischer und/oder religiöser Diskriminierung. Das allerdings lockte keinen Hund hinter dem Ofen hervor.

Bei einem wirklichen "historischen" Vergleichen wären die Unterschiede zwischen "damals" und heute so himmelschreiend, dass man den Vergleich gar nicht erst beginnen würde. Es sei denn, man folgt einer politischen Agenda und nicht dem Erkenntnisinteresse.

Die Konflikte zwischen Islamismus und einer offenen Gesellschaft sind real. Sie sind keine Projektion. Dass ein Ideologe wie der türkische Außenminister über eine Islamisierung Europas nachdenkt, kann man ebenso nachlesen, wie den hybriden Anspruch längst deutschsprachiger Jihadisten, als "Muslim" dem schmutzigen "Kuffar" unendlich überlegen zu sein. Es gibt nicht zuletzt islamische Staaten, die massiv "islamische" Interessen auch und gerade in Ländern des Westens vertreten, mit Geld und Propaganda. Das wiederum sollte keineswegs zum Rückkehrschluss verleiten, dass jeder Muslim, und damit sind Menschen gemeint, die sich selbst auch als gläubig verstehen, und nicht nur aus islamisch dominierten Ländern stammen, nun die Islamisierung Europas vorantreiben wollte. Aber islamische Kleriker, Politiker und Ideologen, die vor allem den globalen Anspruch ihres "Islam" unterstreichen, sind Legion. Sie haben in den letzten dreißig Jahren beispielsweise das Kopftuch überhaupt erst zu dem politischen Symbol aufgeblasen, an dem Kritik fortan als "islamophob" unterdrückt werden soll.

Vergleichen wir noch einmal kurz: Wo waren sie eigentlich damals, 1871ff. die jüdischen Mächte und Pressure Groups? Wer hat je von lautstarken jüdischen Forderungen nach kultureller Sensibilität der jüdischen Kultur gegenüber gehört, der sich die Nichtjuden notfalls eben anzupassen hätten? Von Forderungen zumindest einzelner Rabbis nach jüdischer Weltherrschaft?

Nun, Vorstellungen davon waren durchaus existent -  in den Köpfen der Antisemiten, das ist der Witz dabei. Tatsächlich wollten sich die Juden in Deutschland nachgerade verzweifelt assimilieren. Aber das hat den Antisemiten nie interessiert. Der Jude sollte sich nicht integrieren. Er sollte aus Prinzip verschwinden. Das hat mit "Vorurteilen" rein gar nichts zu tun.

Und hier schließt sich der Kreis; je drängender auf "Islamophobie" als neuer Realität insistiert wird, desto "normaler" erscheint zugleich der Antisemitismus. Die "Dialektik der Aufklärung" wird dem Vergessen anheim gegeben. Als Besonderheit des Antisemitismus soll nicht mehr der wahnhafte Vernichtungsdrang zu erkennen sein, der ihn grundsätzlich vom "normalen" Rassismus unterscheidet, und immer unterschieden hat. Er wird einfach zum Vorurteil unter anderen Vorurteilen umdeklariert, der Überlebende von Auschwitz wird zum Diskriminierten neben anderen Diskriminierten. Wenn der "Jude von heute" endlich ein Muslim von nebenan ist, braucht man über eliminatorischen Antisemitismus nicht mehr sprechen - auch nicht über den zeitgenössischen, der etwa von Teheran aus die Vernichtung Israels propagiert und tatkräftig vorbereitet. Sicher, die Schrecken des 20. Jahrhunderts werden damit irgendwie wieder handhabbar. Ginge es nur um Vorurteile, dann hätte Auschwitz mit gut gemeinter pädagogischer Aufklärung verhindert werden können.

So bedient der Begriff der Islamophobie kongenial ganz unterschiedliche Bedürfnisse, denen eines gemein ist: mit Emanzipation haben sie nichts am Hut, und ebenso auffällig ist das Fehlen jedweder Empathie mit den Menschen, in deren Namen man da angeblich spricht. Der reale Muslim, ebenso wie die anderen vermeintlich "Diskriminierten", geraten zum reinen Spielmaterial des Diskurses.

Der Artikel erschien zuerst im "Perlentaucher":
http://www.perlentaucher.de/essay/islamophobie-parallele-in-den-abgrund.html

Solidarität von Menschenrechtlern mit Heinz Buschkowsky!
17.10.2012 11:22:57

Pressemitteilung vom 16.10.2012 | 18:34

Solidarität von Menschenrechtlern mit Heinz Buschkowsky!

Peri e. V. fordert das Ende einer schmutzigen Diffamierungskampagne

Peri Verein für Menschenrechte und Integration e. V. hat sich eingehend mit dem Buch "Neukölln ist überall" von Heinz Buschkowsky auseinandergesetzt und es einer kritischen Analyse unterzogen. Wir kommen zu dem Ergebnis, dass wir die in dem Buch zum Ausdruck kommenden Befunde weitestgehend teilen. Einzelne Problembereiche sind bei Buschkowsky sogar keineswegs, wie gerne behauptet, überspitzt dargestellt, sondern eher noch viel zurückhaltend. Die in dem Buch genannten Lösungsvorschläge treffen zwar nicht ausnahmslos, aber doch mehrheitlich auf unsere Zustimmung.

Mit großer Sorge hingegen betrachten wir die Mechanismen der Diffamierung, die die öffentliche Debatte um das Buch dominieren. Während durch die Art der Äußerungen häufig offensichtlich ist, dass viele "Kritiker" das Buch nicht gelesen haben, herrscht gleichzeitig bei nicht wenigen Politikern, Journalisten und Wissenschaftlern ein gehässiger und von Unsachlichkeit gekennzeichneter Tonfall vor. Die Diffamierung, die Menschen ertragen müssen, die auf Probleme hinweisen, hat mittlerweile ein unerträgliches Ausmaß angenommen - Buschkowsky ist in dieser Hinsicht leider kein Einzelfall. Heinz Buschkwosky ernsthaft Rassismus unterstellen zu wollen, lässt sich nur noch entweder mit bewusster Bösartigkeit seitens seiner "Kritiker" oder aber mit einem Mangel an Lesekompetenz erklären.

In diesem Zusammenhang sind die Äußerungen der Soziologin Naika Foroutan, des SPD-Politikers Aziz Bozkurt und des grünen Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz besonders hervorzuheben, deren Rassismusvorwürfe in einem krassen Missverhältnis zu ihrem eigenen Schweigen zu sogenannten "Ehrverbrechen" und der Unterdrückung von Frauen in bestimmten Einwanderermilieus stehen. Bozkurts Breivik-Vergleich muss als bewusst eingesetzte Niederträchtigkeit eingestuft werden, zumal als Beleg Äußerungen angeführt werden, die völlig sinnentstellend aus dem Zusammenhang gerissen sind. Foroutan, Bozkurt und Schulz sind in der Vergangenheit nicht durch ein besonderes Engagement für die Opfer von Ehrenmord, Zwangsheirat und häuslicher Gewalt aufgefallen. Mit Formulierungen wie "Der weiße privilegierte Buschkowsky" rückt sich zudem Aziz Bozkurt selbst sehr viel mehr in die Nähe rassistischen Gedankengutes, als es einem "Antirassisten" gut zu Gesicht stehen würde. Die "AG Integration und Vielfalt" der Berliner SPD, der Bozkurt vorsteht, thematisiert auf ihrer Website in keiner einzigen ihrer zahlreichen öffentlichen Mitteilungen die auf antimodernen Rollen- und Ehrvorstellungen beruhenden Missstände und Gewalttaten bei bestimmten Einwanderergruppen. Das Ziel einer Gleichberechtigung der Geschlechter hat man in den Reihen der Buschkowsky-Gegner offenbar bereits aufgegeben. Stattdessen wird Schönwetter-Migrationspolitik gemacht und ein permanenter Opfer-Diskurs gepflegt.

Die hinter der Diffamierungskampagne stehende Absicht ist klar: Die Tatsache, dass Verhalten von Erziehung abhängig ist und Erziehung sich wiederum an kulturellen Werten orientiert, soll bewusst kleingeredet werden, als ob es sich dabei nicht um eine völlig unstrittige Selbstverständlichkeit handelte. Natürlich müssen in der Integrationsdebatte kulturell und religiös bedingte Überzeugungen als Faktoren stets berücksichtigt werden. Peri Verein für Menschenrechte und Integration e. V. kann durch seine praxisbezogene Arbeit, die junge Menschen (meist Frauen mit muslimischem Hintergrund) aus demütigenden und oftmals lebensgefährlichen Situationen befreit, Heinz Buschkowskys Befunde in großen Teilen bestätigen und sieht sich in eben dieser wichtigen Arbeit durch "Kritiker" der genannten Art behindert. Serap Cileli, Vorsitzende von Peri e. V., stellt daher klar: "Nicht Heinz Buschkowskys Buch ist ein Skandal, sondern die Art und Weise, wie Beschwichtiger und Verharmloser mit ihren ehrverletzenden Äußerungen auf das Buch reagieren. Leidtragende sind die Schwächsten unter den Migranten."

Peri e. V. erklärt sich solidarisch mit Herrn Heinz Buschkowsky und verurteilt scharf die polemischen und größtenteils auf Unwahrheiten beruhenden Versuche öffentlicher Personen, unangenehme Debatten zu unterbinden und missliebige Personen zu stigmatisieren.

Thomas Baader
Pressestelle peri e.V.
Bachgasse 44
D-69469 Weinheim
E-Mail:
kontakt@peri-ev.de
Website:
www.peri-ev.de

Weinheim - Veröffentlicht von pressrelationsLink zur Pressemitteilung: http://www.pressrelations.de/new/standard/dereferrer.cfm?r=510991

Auf zum Nebenkriegsschauplatz, es gibt ja gerade nichts Wichtigeres
17.10.2012 10:29:58

Auf zum Nebenkriegsschauplatz, es gibt ja gerade nichts Wichtigeres
von Thomas Baader

In Kurzform:

Nachdem einer meiner Artikel auf der "Achse des Guten" erschienen war, leitete Henryk Broder einen Leserbrief an mich weiter. Der Verfasser wollte, dass ich Stellung dazu nehme, dass sich Buschkowsky bei früheren Beleidigungen mit gerichtlichen Mitteln gewehrt habe und die Kosten dafür dem Steuerzahler auflade.

Ich antwortete, dass ich für die Rückmeldung dankte, sie aber für meine Ausführungen als irrelevant betrachte.

Darauhin schrieb der Verfasser im Kommentarbereich des "Tagesspiegel", wo mein neuester Artikel erschienen war, u. a. : "Ich hatte mit Thomas Baader einen kurzen eMail-Verkehr vor ein paar Tagen, bei dem ich ihn darauf hinwies, dass Buschkowsky gern auf Kosten des Steuerzahlers seine persönliche Ehre verteidigt. Baader fand das für seine Ausführungen 'irrelevant'."

Also sah ich mich genötigt, dem Herrn noch einmal eine Email zu schreiben. An dieser Stelle dokumentiere ich ihren Inhalt:

Sehr geehrter Herr XXX,

nachdem ich Ihren Kommentar im Tagesspiegel gelesen habe, habe ich bemerkt, dass ich mich vermutlich nicht deutlich ausgedrückt habe.

Für meine Ausführungen ist Ihre Rückmeldung in der Tat irrelevant. Ich beschäftige mich mit Herrn Buschkowskys integrationspolitischen Thesen. Ich habe kein Urteil darüber gefällt, ob Herr Buschkowsky irgendwelche charakterlichen Schwächen hat oder nicht. Wenn Sie das stört, dass er sich "auf Kosten des Steuerzahlers verteidigt", wie Sie sagen, dann dürfen Sie das selbstverständlich öffentlich kritisieren.

Ich sehe dabei nur keinen Zusammenhang zu den Integrationsproblemen dieses Land und erst recht nicht zu meinem Artikel. Und da das das einzige Thema Ihrer Rückmeldung war und Sie nicht ein einziges meiner zahlreichen Argumente aufgegriffen haben, finde ich das, ehrlich gesagt, argumentativ etwas dürftig.

Das dürfen Sie gerne zitieren. Ich werde ohnehin mein Antwortschreiben an Sie auf meinen Blog stellen, wobei ich Sie selbstverständlich anonymisieren werde.

Mit freundlichen Grüßen
T. Baader

Für die Leser dieses Blogs eine kleine Anmerkung, die ich in der Email vergessen hatte: Ich wohne nicht, wie Herr XXX behauptet, in Weinheim. Da ist nur der Verein angemeldet, der übrigens bundesweit operiert und Mitglieder in ganz Deutschland hat.

"...wie Breivik!": Wie Diffamierung in der Buschkowsky-Debatte funktioniert
13.10.2012 20:59:11

"...wie Breivik!": Wie Diffamierung in der Buschkowsky-Debatte funktioniert
von Thomas Baader

Es ist eigentlich gar nicht so, dass man dieser Tage viel Verlangen spürt, einen weiteren Beitrag zur Debatte um Heinz Buschkowskys Buch "Neukölln ist überall" zu schreiben. Man könnte meinen, dass der Sache bereits Genüge getan wurde, wenn man das Vorgehen der "Kritiker" exemplarisch am Pamphletismus einer Akteurin aufgezeigt hat. Leider stellt sich jedoch heraus, dass neue Absurditäten und Diffamierungen schneller produziert werden, als man darauf reagieren könnte. Um diese Dinge nicht völlig unwidersprochen zu lassen, erscheint es mir daher doch nötig, weitere Beispiele aus der Debatte herauszugreifen und analytisch zu betrachten.

Bevor ich die einzelnen Vorwürfe untersuche, möchte ich erst einmal auf eine hierzulande übliche Redewendung verweisen, die im Folgenden noch eine Rolle spielen wird: Im Deutschen spricht man manchmal davon, dass ein "Pappkamerad aufgebaut" würde. Man könnte alternativ auch das Wort "Popanz" verwenden. Damit ist gemeint, dass man nicht wirklich den Gegner in einer Auseinandersetzung bekämpft, sondern ein Schreckgespenst, das man selbst aufbaut, um es dann möglichst eindrucksvoll umwerfen zu können - natürlich dabei den Anschein erweckend, es handele um den erwähnten Gegner und nicht etwa um ein bloßes Hirngespinst. Für diese Betrachtung bedeutet dies, dass man als "Kritiker" Buschkowskys Aussagen selbst so verändern muss, dass sie als Zielobjekt für (vermeintlich) antirassistische Agitation taugen. Vorher bieten sie nämlich einfach zu wenig Angriffsfläche.

Nun zu den Beispielen:

1. Behauptung: Buschkwosky hätte diese Missstände als Bezirksbürgermeister doch selbst beheben können

Wenn dieser Vorwurf im Spiel ist, gibt es oft einen inneren Widerspruch, denn häufig vertritt der jeweilige Autor die Position, dass es die von Buschkowsky beschriebenen Missstände im Grunde gar nicht gibt. Nun kann man eigentlich nicht gleichzeitig die einander auschließenden Standpunkte vertreten, dass Buschkowsky nichts gegen Probleme unternimmt und dass diese Probleme überhaupt nicht existieren. Abgesehen davon läuft der Vorwurf ohnehin ins Leere. Zwar schreibt Hatice Akyün im "Tagesspiegel", dass Buschkowsky ja kein Beobachter sei, "sondern ein Akteur, der das Kunststück aufführt, Dinge, für die er die politische Verantwortung trägt, anderen in die Schuhe zu schieben". Und auch der Berliner SPD-Politiker Aziz Bozkurt fragt im "Migazin", wieso Buschkowsky all die politischen Handlungsfelder in den Fokus rücke, "für die er mit verantwortlich ist".

"Kritiker" dieser Art müssen sich die Gegenfrage gefallen lassen, ob sie wirklich einen Blick in Buschkowskys Buch geworfen haben. Auf den Seiten 14 und 15 erläutert Buschkowsky nämlich:

"Besonders unterhaltsam sind immer die Hinweise, warum ich vor Ort als langjährig Verantwortung tragender Kommunalpolitiker nicht längst alle sozialen Verwerfungen beseitigt, alle Bildungsprobleme gelöst und alle Integrationsfragen beantwortet habe. Die darin zum Ausdruck kommene Einschätzung der Leichtgewichtigkeit der Materie, die von jedem Dorfschulzen im Handumdrehen getroubleshootet werden kann, lässt aufhorchen. Heißt es doch sonst immer, dass es sich um die Zukunftsfrage unseres Landes handelt, für die wir einen langen Atem brauchen und die nur generationenübergreifend zu lösen ist. [...] In Berlin kann kein Bezirksbürgermeister über Klassengrößen, Lehrereinstellungen, Kitagruppengröße, Kita-Pflicht, Kindergeld, Fachpersonal an Schulen, Einrichtung von Ganztagsschulen usw. usw. usw. entscheiden."

Dem ist in der Tat wenig hinzuzufügen. Die Vorstellung, dass ein Bezirksbürgermeister die Befugnisse hätte, die notwendig wären, um alle Integrationsprobleme im Alleingang zu lösen, ist hochgradig naiv. Erschwerend kommt hinzu, dass ihm bereits bei dem Versuch Knüppel zwischen die Beine geworfen werden - teilweise wohl von denselben Wohlmeinenden, die sich verwundert fragen, warum er nicht längst alle Missstände beseitigt habe. 
 
2. Behauptung: Buschkowsky bietet keine Lösungen an

In aller Deutlichkeit: Der keine Lösungen anbietende Buschkowsky ist ein Popanz im obigen Sinne, eine Erfindung seiner "Kritiker". Zu denen gehört Ekin Deligöz, die für die Grünen im Bundestag sitzt und laut "Tagesspiegel" behauptet, dass Buschkowsky Missstände beschreibe, aber keine Lösungen aufzeige. Ein Blick in Buschkowskys Buch belehrt eines Besseren. Zu seinen Lösungsvorschlägen gehören: altersgerechte Sachleistungen statt Kindergeld; Kindergartenpflicht; Ausbau von Ganztagsschulen; gezielte Sprachförderung; stärkere Konzentration auf Unterschichtenkinder im Bildungssystem; offene Diskussionen über Probleme zulassen; Fehlverhalten konsequent sanktionieren usw. Unabhängig davon, wie man persönlich diese Vorschläge beurteilt, muss man feststellen, dass Deligöz' Aussage objektiv unwahr ist. Es drängt sich daher die Frage auf, ob Deligöz das Buch auch nur ansatzweise gelesen hat.

3. Behauptung: Das hätte auch Breivik sagen können

Aziz Bozkurt wirft im "Migazin" Buschkowsky Rassismus vor und schreibt wörtlich:

"Im neuen Bestseller wird er [Buschkowsky] dann auch noch deutlicher, wenn es um die 'Wand des Schweigens wie in der ehemaligen DDR' geht: 'Hier ist es ein Kartell aus ideologischen Linkspolitikern, Gutmenschen, Allesverstehern, vom Beschützersyndrom Geschädigten und Demokratieerfindern, das den Menschen das Recht abspricht zu sagen, was sie denken.' Erschreckend an diesem Satz, dass dies die Wiederholung der Argumentation eines Rechtsterroristen Breivik ist. Dies ist natürlich kein direkter Vergleich zu Heinz Buschkowsky und von ihm wahrscheinlich gar nicht so weit gedacht. Nur eine Mahnung daran, wo sich solche Sätze sonst finden."

Bozkurt legt Wert darauf, dass er Buschkowsky nicht direkt mit Breivik vergleicht - was freilich bedeutet, dass er es indirekt tut und diesen Vergleich auch für angemessen hält. Der Vergleich selbst wird vor allem aber durch einen Taschenspielertrick möglich, indem Bozkurt den Teil der Passage weglässt, der nicht in seine Argumentationslinie passt. Auf Seite 130 des Buches heißt es nämlich vollständig:

"Hier ist es ein Kartell aus ideologischen Linkspolitikern, Gutmenschen, Allesverstehern, vom Beschützersyndrom Geschädigten und Demokratieerfindern, das den Menschen das Recht abspricht zu sagen, was sie denken. Richtig stolz bin ich auf die Neuköllner Bevölkerung. Es gibt bei uns keine Gegenbewegung zu den etablierten Parteien und zu unserer demokratischen Gesellschaftsordnung. Die Rechtsradikalen haben, wie erwähnt, bei den letzten Wahlen 2011 nur noch ein Viertel ihres Wählerpotentials von 1989 erreicht."

Hätte die vollständige Passage wirklich in Breiviks Manifest stehen können, mitsamt der offen zum Ausdruck kommenden Freude über das Scheitern der Rechtsradikalen? Offensichtlich nicht. Bozkurt reißt einen Satz aus dem Zusammenhang, um ihn dann mit Aussagen von Breivik zu vergleichen (die es in diesem Wortlaut in seinem Manifest freilich auch gar nicht gibt), und versichert anschließend treuherzig, dass es gar nicht so "direkt" gemeint ist. Das ist nicht nur Schmähkritik, sondern auch völlig sinnentleert.

4. Behauptung: Buschkowsky benutzt rechtspopulistisches Vokabular ("Überfremdungsängste")

Aziz Bozkurt kritisiert auch die Verwendung von rechtspopulistischem Vokabular wie "Überfremdungsängste".

An dieser Stelle sollte es ausreichen, eine kurze Stelle aus Buschkowksys Buch zitieren, um zu verdeutlichen, wie solches Vokabular dort eingesetzt wird (S. 121): "Insofern halte ich es für völlig falsch, diesem Phänomen mit Nichtbeachtung zu begegnen. Im Gegenteil, Politik muss Überfremdungsängste offensiv bekämpfen."

Der Pappkamerad lässt grüßen.

5. Behauptung: Buschkowsky benutzt rechtspopulistische Argumentationsmuster

Im Cicero-Magazin schreibt Daniel Martienssen in seiner Rezension von "Neukölln ist überall":

"Doch gleichzeitig greift er [Buschkowsky] immer wieder zu latent rechtskonservativen Argumentationsmustern, 'unmissverständliche Ansagen wie: ‚Hier sind die Niederlande, hier gelten niederländische Sitten, niederländische Gesetze und sonst nichts‘, (…) sind nicht zu kritisieren (…) in Deutschland allerdings ist solch ein Satz schon arg verdächtig, aus dem Wahlprogramm einer rechtsradikalen Partei entnommen zu sein (…) die organisierte Links-Empörung ist gut vernetzt und erfolgreich in unsichtbaren Repressionen.'"

Auch hier empfiehlt es sich, die zerstückelt wiedergebene Passage einmal vollständig zu lesen. In "Neukölln ist überall" heißt es auf Seite 72:

"Natürlich hat die Beantwortung dieser Fragen auch etwas mit dem Selbstbewusstsein zu tun. Unmissverständliche Ansagen wie: 'Hier sind die Niederlande, hier gelten niederländische Sitten, niederländische Gesetze und sonst nichts' oder entsprechend: "hier ist Frankreich ...", "hier ist Österreich ...", sind für sich genommen nicht zu kritisieren. In Deutschland allerdings ist solch ein Satz schon arg verdächtig, aus dem Wahlprogramm einer rechtsradikalen Partei entnommen zu sein. Wer so etwas ausspricht oder niederschreibt, ist mindestens ein deutschtümelnder Konservativer, wenn nicht gar ein Rassist und Neonazi. Die organisierte Links-Empörung ist gut vernetzt und erfolgreich in unsichtbaren Repressionen. Es geht flink und leise, und unbotmäßiges Verhalten wird durch Auftragsentzug bestraft."

Wir ignorieren an dieser Stelle, dass Martienssens Zitierweise nicht jede durch ihn vorgenommene Auslassung kenntlich macht (was sich eigentlich nicht gehört). Schauen wir uns lieber den Inhalt von Buschkowskys Aussage an und Martienssens Reaktion darauf: Buschkowksy sagt sinngemäß, dass das Aussprechen von Selbstverständlichkeiten (wie "in den Niederlanden gelten niederländische Gesetze") als rechtspopulistisch/rechtskonservativ diffamiert wird. Auf diese Ausssage hin wirft Martienssen Buschkowsky rechtskonservative Argumentationsmuster vor, outet sich also selbst als genau die Art von Hysteriker, die Buschkwosky kritisiert - freilich ohne dass Martienssen sich mit Buschkowksys Vorwurf inhaltlich auseinandersetzt. Das ist nun so, als ob ich mich über als Kind in einer Familie über die Prügelstrafe beschwere, um anschließend wegen meiner Beschwerde geprügelt zu werden. Man gewinnt den Eindruck, dass Martienssen beim Lesen dieser Passage etwas Wesentliches entgangen sein könnte.

Bleibt noch hinzuzufügen, dass der aus Marokko stammende Oberbürgermeister von Rotterdam, Ahmed Aboutaleb, in ähnlicher "rechtskonservativer" Klarheit für die Befolgung niederländischer Gesetze plädiert: "Ich diskutiere mit niemandem über die Gesetze dieses Landes. Wem sie nicht gefallen, der kann sich gerne ein Land suchen, wo er mit ihnen besser zurechtkommt." Vor diesem Hintergrund erhärtet sich der Eindruck, als habe Martienssen die Kritik Buschkowskys nicht wirklich verstanden.

6. Behauptung: Buschkowsky argumentiert rassistisch

Es ist schwer, diesen Vorwurf mit Argumenten zu widerlegen, da die Gegenseite selbst keine Argumente aufweisen kann, um die Behauptung zu belegen. Der Vorwurf muss daher als das abgetan werden, was er ist: ein inhaltsleerer Reflex. Amüsant wird er zumindest in der Variation, in der er von Franz Schulz, dem grünen Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, erhoben wird: "Aus Kreuzberger Sicht ist das Rassismus – und es spiegelt vor allem nicht unsere Lebenswirklichkeit."

Wir nehmen an der Stelle erst einal erstaunt zur Kenntnis, dass es eine spezielle "Kreuzberger Sicht" von Rassismus gibt. Inwieweit sich die Kreuzberger Rassismustheorie von ihren Pendants in Hamburg-Altona oder Köln-Ehrenfeld unterscheidet, wird nicht weiter erörtert.

Fazit:

Die dargestellten Beispiele illustrieren eindrucksvoll, dass ein nicht unerheblicher Teil der "Kritiker" keineswegs an einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den Inhalten von "Neukölln ist überall" interessiert ist. Damit sind sie selbst Teil des Problems, das Buschkowsky in seinem Buch beschreibt. Die Vermutung liegt zudem nahe, dass ein großer Teil der "Kritiker" das Buch entweder gar nicht oder allenfalls passagenhaft gelesen hat. Die vollständige Lektüre wäre für eine analytische Herangehensweise natürlich Voraussetzung gewesen. Im Zentrum der Bemühungen der "Kritiker" stehen stattdessen Strategien der Diffamierung, Bagatellisierung und Relativierung. Die öffentliche Debatte der nächsten Wochen sollte diese Mängel und Unredlichkeiten klar benennen und aufzeigen.

Die Angst der Taliban vor einer Vierzehnjährigen
13.10.2012 10:26:19

Lesehinweis

Die Kugeln vom 9. Oktober sind bei einer nüchternen Betrachtungsweise jedoch auch ein Alptraum für die Taliban. Und das hat nichts mit dem Umstand zu tun, dass Malala noch lebt. Stattdessen zeigt der Mordanschlag einmal mehr, wie tief die Islamisten, die einst gegen die Rote Armee kämpften, auf der Zivilisationsleiter gesunken sind. Inzwischen dürften sie den stinkenden Sumpf erreicht haben, in dem die Geister ehemaliger KZ-Wärter herumspuken.
Wie unermesslich groß ist die Feigheit des Mannes, der eine Waffe auf ein wehrloses Mädchen richtet? Nein, kein Mann: Ein Waschlappen. Der Täter – angeblich ein Exekutor des göttlichen Willens – kann meines Erachtens nur hoffen, dass es „seinen“ Allah nicht gibt.
http://www.liberteblog.de/2012/10/12/die-angst-der-taliban-tragt-einen-namen-malala-yousafzai/

Der Schlaf der Vernunft gebiert Leserbriefe
11.10.2012 10:15:42

Der Schlaf der Vernunft gebiert Leserbriefe
von Thomas Baader

Wenn man, so wie ich, hin und wieder einen Artikel schreibt, kriegt man hin und wieder auch Rückmeldungen. Darüber freue ich mich. Im MRF-Forum können Leser den Kommentarbereich nutzen; erscheinen meine Beiträge auf der "Achse des Guten", gehen dort hin und wieder Leserbriefe ein, die Herr Broder freundlicherweise an mich weiterleitet.

Neben den konstruktiven Kritiken gibt es aber auch Reaktionen, die bei mir ein leichtes Schmunzeln auslösen. So zum Beispiel die Schreiben jener Zeitgenossen, in denen es heißt: Ja, es stimmt ja, was Sie schreiben, aber sowas zu sagen ist nicht in Ordnung. Oder diejenigen, die der Ansicht sind, ausformulierte Empörung sei ein guter Ersatz für auf Argumenten beruhenden rationalen Diskurs. Das Motto "Ich habe sehr viel Wut in mir, wozu brauche in dann einen Verstand" erfreut sich dieser Tage wieder großer Beliebtheit. Befreit von der Notwendigkeit zu argumentieren oder überhaupt auch nur ein Mindestmaß an Nachvollziehbarkeit gewährleisten zu müssen, gefällt sich der eine oder andere in der Rolle des intellektuellen Schwätzers, wobei freilich der Zusatz "intellektuell" eher theoretischer Natur ist.

Wer sich jetzt übrigens jetzt gerade beleidigt fühlt, den habe ich wohl unterschätzt, denn er beweist zumindest schon mal die Fähigkeit, sich selbst auf der Grundlage meiner Beschreibung wiederzuererkennen.

Wenn jemand mit Hyperventilieren beschäftigt ist oder aus gerechtem Zorn gerade in die Tastatur beißt, ist es für mich natürlich etwas schwierig, dieser Person Inhalte zu vermitteln. Manchmal versuche ich es trotzdem, denn die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Dazu gehört dann, dass ich darauf verweise, was man bei Peri e. V. macht.

Was macht man nun eigentlich bei Peri e.V.? Ja, hin und wieder fragen mich Menschen das tatsächlich. Ich verweise dann auf die Website. Nun gibt es aber auch Menschen, die Angst davor haben, Opfer von zu viel Bildung zu werden, und grundsätzlich keine Website lesen. Also: Peri betreut Menschen mit meist muslimischen Migrationshintergrund, die Opfer von häuslicher Gewalt und patriarchalisch geprägten Unterdrückungsmechanismen werden. Wir kümmern uns beispielsweise um Betreuung, Aufnahme und Unterbringung von Menschen, die von Ehrenmord, Zwangsheirat oder anderer Formen von Gewalt bedroht sind. Der Verein leistet auch aktive Fluchthilfe. Ein Großteil der Betroffenen sind Frauen. Manchmal gibt es aber auch Fälle wie den homosexuellen männlichen Muslim, der sich vor seiner Familie verstecken muss, die ihm nach dem Leben trachtet.

Wissen Sie eigentlich, liebe Leserbriefschreiber, was wirklich das Gegenteil von Rassismus ist? Nein, nicht Ihre selbstgerechten Wutbriefe, die niemandem etwas nützen außer Ihrem Ego. Das Gegenteil von Rassismus ist, wenn man die Ansicht vertritt, dass grundlegende Menschenrechte nicht nur für die Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft gelten. Rassismus liegt hingegen vor, wenn man der Ansicht ist, "bei denen" soll sich möglichst nichts ändern. In diesem Sinne findet man in den Reihen der Buschkowsky-Gegner viele verkappte Rassisten, die sich ihrer Ressentiments nicht selbst bewusst sind.

Aber dafür wissen Sie, wie man Emails verschickt. Und wie gesagt, die Hoffnung stirbt zuletzt.

Und jetzt auch noch Aiman Mazyek!
09.10.2012 22:36:11

Und jetzt auch noch Aiman Mazyek!
von Thomas Baader

Buschkowsky-Bashing ist gerade in. Und die Muslime sind allesamt verunsichert, lässt Aiman Mazyek die Presse wissen.

"Mazyek kritisierte, dass Politiker soziale Missstände im Kiez auf den Islam zurückführen. Dies sei ein Kategoriefehler und 'eine gewisse Form von Rassismus'. Der Islam werde auf Gewalt und Probleme verengt. Mazyek nannte konkret den Berliner Bezirksbürgermeisters Heinz Buschkowsky und Berlins Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin (beide SPD)."
http://www.rp-online.de/panorama/deutschland/muslime-in-deutschland-stark-verunsichert-1.3021645

Wissen Sie eigentlich, Herr Mazyek, was wirklich ein Kategoriefehler ist? Wenn man Kritik (ob nun inhaltlich falsch oder richtig) an den weltanschaulichen Positionen einer Religionsgemeinschaft mit dem Begriff Rassismus in Verbindung bringt. Denn Rassismus ist eine Kategorie, die sich auf Nationalität, Ethnie oder Hautfarbe bezieht. Antimuslimischer Rassismus ist daher ein Ding der Unmöglichkeit, genauso wie antikatholischer Rassismus oder homophober Rassismus. Was wiederum nicht bedeutet, dass es keine Ressentiments gegen Moslems, Katholiken oder Homosexuelle gäbe. Aber sobald Pierre Vogel seine Gegner als Rassisten beschimpfen würde, würde die Sache vollends lächerlich, nicht wahr?

Und wissen Sie, was mich verunsichert? Wenn ich auf den Seiten von www.islam.de so etwas hier lese:

"Beim Ehebruch muss die Aussage von mindestens vier Männern vorliegen, weil das Strafmaß hierfür sehr hoch ist. Bei Zeugenschaft für geschäftliche Verträge o. ä. muss man zwei Männer als Zeugen haben oder einen Mann und zwei Frauen, allerdings braucht nur eine Frau auszusagen, die zweite Frau ist nur da, um auf die Richtigkeit der Aussage der ersten Frau zu achten und um sie eventuell zu verbessern."

Treuherzig wird uns dort aber versichert, dass es keinen Werteunterschied zwischen Mann und Frau gäbe, da im Islam ja gar keine allgemein gültige Regel exisitiere, wonach die Aussage von Frauen vor Gericht nur die Hälfte wert wäre. Mit anderen Worten: Nur in ganz besonderen Fällen ist das Wort einer Frau die Hälfte (oder gar nichts) wert. Eben bei Ehebruch und Zeugenschaft für geschäftliche Verträge. Wie beruhigend. Man stelle sich nun einmal vor, man würde in genau diesem Textauszug das Wort "Mann" ersetzen durch "Christ" und das Wort "Frau" durch "Moslem" - und dann mal nachfragen, ob man immer noch keinen Werteunterschied erkennen kann.

Chef vom Dienst ist bei islam.de laut Impressum übrigens ein gewisser Aiman Mazyek, ein tapferer Streiter gegen jede Art von Diskriminierung.

Nach "kreuz.net" komm Gott nur noch zum Schämen
08.10.2012 18:42:33

Nach "kreuz.net" komm Gott nur noch zum Schämen
von Thomas Baader

Bei "kreuz.net - Katholische Nachrichten" plfegt man eine besondere Art des Nachrufs:

"Dirk Bach
Jetzt brennt er in der ewigen Homo-Hölle
"Das widernatürliche und entartete Homo-Treiben ist für die menschliche Natur mörderisch. Diese Binsenwahrheit hat sich wieder einmal bestätigt. [...] Bach war ein homosexueller Sittenverderber. Es ist davon auszugehen, daß seine Unzucht ihn so früh ins Grab brachte. [...]"
http://kreuz.net/article.15957.html

Sparen wir uns den Rest. Der Artikel geht zwar noch weiter, aber hier wäre Weiterlesen wirklich verschwendete Lebenssekunden.

Als Katholik sehe ich mich nun aber genötigt, Stellung zu nehmen. Also:


"Liebe" kreuz.net-Redaktion,

gestern habe ich mit Gott gesprochen.

Er hatte gar nichts gegen Dirk Bach.

Aber euch hasst er.

Gruß, euer Thomas

Jesidische Liebespost: Jetzt warte ich!
07.10.2012 08:56:38

Jesidische Liebespost: Jetzt warte ich!
von Thomas Baader

Im August dieses Jahres schrieb jemand im Kommentarbereich eines älteren Artikels des Menschenrechtsfundamentalisten-Blogs einen freundlichen Beitrag zur Lösung interkultureller Konflikte:

"Celal Erdem 24.08.2012 12:53:30
Fall Arzu - Daweta.de Forum
Ich Celal Erdem betreibe dieses Internetforum 'Daweta.de' und möchte klar stellen, dass Thomas Baader sich in Sachen was Yeziden betrifft zu sehr einmischt! Es wird weitere Konsequenzen für Herr Thomas Baader geben. Ich finde nicht korrekt, dass meine Seite und der Image durch die Presse geschädigt wird! Werde SOFORT handeln.
Herr Thomas Baader wir werden uns besser kennenlernen!
Thomas Baader DU WIRST MICH ANBETTELN DAS ICH DIR NICHTS TUN SOLL
Thomas Baader ICH BRING DICH UM!!!'
Meine Mail! :
celalerdem1@hotmail.de"

Wie man sehen kann, wurde der Kommentar am 24. August verfasst, aber bemerkt habe ich ihn erst vor wenigen Tagen. Außer mangelhafter Zeichensetzung und einer Unkenntnis von grammatikalischen Strukturen (natürlich muss es heißen "für Herrn Thomas Baader", nicht für "Herr Thomas Baader") ist festzustellen:

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei dem Absender nicht um den Betreiber des Daweta-Forums, sondern um irgendeinen schwer diskriminierten Jesiden, der auch nur Opfer ist und endlich mal den Drang spürt, zurückzuschießen und bei dieser Gelegenheit auch noch dem ungeliebten Daweta-Forumsbetreiber eins auszwischen. Eine (vergleichsweise geringere) Chance besteht natürlich auch, dass es sich um jemand ganz anderen handelt.

In jedem Fall müssen wir aber konstatieren: An jenem 24. August wurde seit 12.53 Uhr zurückgeschossen. Verbal. Die Sache hat aber auch ein Gutes: Sie gibt den Jesiden und ihren offiziellen Repräsentanten in Deutschland die Gelegenheit, ihre oftmals angzweifelte Friedfertigkeit dadurch zu demonstrieren und zu bestätigen, indem sie sich von diesem Schreibtischtäter distanzieren und dem Opfer einer solchen Drohung Solidarität und Unterstützung aussprechen. In diesem Sinne: Nur zu. Ich warte geduldig.

Die Wutsoziologin ist zurück: Naika Foroutan und der Rassist
04.10.2012 23:03:31

Die Wutsoziologin ist zurück: Naika Foroutan und der Rassist
von Thomas Baader

"Wird man doch noch sagen dürfen" - diesen sehr passenden Titel hat sich Naika Foroutan für ihre im SPIEGEL abgedruckte Kampfschrift ausgesucht. Passend deshalb, weil er entgegen der Absicht der Verfasserin zur ungewollten Selbstbeschreibung geworden ist: Denn Naika Foroutan wird doch wohl noch sagen dürfen, dass Buschkowsky ein verdammter Rassist ist.

Es tobt und bebt in ihr, das kann man aus jedem Satz herauslesen. Naika Foroutan spielt ihre Lieblingsrolle: Mit dem Pathos der selbsternannten Verteidigerin jeglicher geschändeter Migrantenehre tritt sie in den Ring, um es mit Heinz Buschkowsky aufzunehmen, einer jener düsteren Gestalten, die von Zeit zu Zeit ihr garstiges Haupt erheben, um den Einwanderern in Deutschland das Leben schwer zu machen. Ohne Buschkowsky, da ist sie sich sicher, wäre die Multikulti-Idylle noch intakt. Oder sagen wir: ohne Buschkowsky und seinesgleichen. Die Wutsoziologin ist wieder da, und sie schreibt eigentlich gar nicht selbst; vielmehr schreibt es in ihr aus ihr heraus. Im (selbst)gerechten Zorn inszeniert Naika Foroutan sich als Heilige Johanna der Hinterhofmoscheen, eine Darbietung freilich, um die sie eigentlich keiner so richtig gebeten hat.

Als erstes Argument müssen die NSU-Opfer herhalten, als zweites die Opfer von Kindesmissbrauch. Denn diese Dinge geschehen in Deutschland und man könnte sie deshalb wohl irgendwie als Teil der deutschen Kultur begreifen. Nein, könnte man natürlich doch nicht, heißt es dann schnell. Denn frei nach der Methode Hohmann ergeht sich Naika Foroutan in einem ersten Schritt in Absurditäten, um sie dann in einem zweiten Schritt zu verneinen. Denn wenn Kindesmissbrauch nicht mit deutscher Kultur erklärt werden kann, dann wohl Ehrverbrechen auch nicht mit türkischer Kultur, so Foroutans Logik, die als naive Kinderlogik zu bezeichnen wäre, wenn sie nicht so berechnend eingesetzt würde. Eines beweist sie aber: Von Verbrechen, die im Namen der Ehre begangen werden, versteht Naika Foroutan nichts. Was sie freilich nicht daran hindert, eine Meinung dazu zu haben.

Und so bahnt sich fachliche Inkompetenz durch einen schwer erträglichen Text ihren Weg: Buschkowskys Sprache sei rassistisch, wenn er von "Importbräuten" schreibt. Abermals muss man sich fragen, ob Naika Foroutan auch nur den Hauch einer Ahnung von dem hat, über das sie sich auslässt. Denn hinter dem Wort "Importbräute" verbirgt sich ein bestimmtes Phänomen, das man (wenn man sich Zeit nehmen würde, es zu erforschen, anstatt Genugtuung daran zu finden, das Wort "Heimat" im Zuge eines Projekts mit Ypsilon zu schreiben), als antimodern und menschenverachtend bezeichnen muss. So stünde es der Soziologin besser zu Gesicht, sich über das Phänomen zu echauffieren und nicht über den Begriff, der es bezeichnet. Denn den Boten wegen der Botschaft töten zu lassen, hat noch zu keinem Zeitpunkt der Weltgeschichte irgendein Problem gelöst.

Und beruhigen will Naika Foroutan den Leser tatsächlich mit der Information, dass das Bundeskriminalamt "nur" von fünf bis sechs Ehrenmordfällen pro Jahr ausgeht. Außerdem: "Wir leben in einem Land, in dem viele glauben, muslimische Männer würden ihre Frauen unters Kopftuch zwingen", spottet sie leichtfertig - und übersieht, dass Menschen, die ernsthafte Arbeit im Bereich der Integration leisten, das nicht nur glauben, sondern sogar wissen: Liebe Frau Foroutan, ich würde Sie gerne mal bekannt machen mit einigen jungen Frauen, die nun eindlich ein Leben ohne Kopftuch führen können.

Menschen mit Migrationshintergrund brauchen keine gutmeinenden Vormünder wie Naika Foroutan. Ein nicht unerheblicher Anteil von ihnen ist nämlich bereits erwachsen.

Siehe auch:
Gleich in zwei Fernsehsendungen wurde die Politologin Naika Foroutan aufgeboten, um Thilo Sarrazins Statistiken zu widerlegen. Leider verhedderte sie sich eher in ihren eigenen Zahlen und stellte merkwürdige Rechenkünste zur Schau.
http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/frau_foroutans_zahlenspiele/

Dieser Artikel erschien am 5. Oktober 2012 auch auf dem Blog "Achse des Guten":
http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/die_wutsoziologin_ist_zurueck_naika_foroutan_und_die_rassismuskeule/

Die Wutbürger sind unter uns
03.10.2012 22:45:33

Die Wutbürger sind unter uns
von Thomas Baader

Es gibt ein bestimmtes Milieu in Deutschland, das auf die Nachricht des Todes eines Menschen auf zwei verschiedene Arten reagieren kann: enthemmte Empörung oder klammheimliche Freude. Empört reagiert man auf die Nachricht vom Tod eines Terroristen und Massenmörders wie Osama bin Laden, die Freude hingegen zeigt man mittlerweile nicht mal mehr klammheimlich, sondern allzu offen, wenn es der Mitarbeiterin eines verhassten Systems an den Kragen geht. Nein, mit diesem System ist nicht etwa die NS-Diktatur oder das Hamas-Regime gemeint. Es geht um ein Jobcenter.

Ich habe mich vor wenigen Tagen zu diesem Thema bereits ausgelassen, als mir ein Artikel bei "Scharf-Links" dazu Anlass gab. Doch auch bei Telepolis wird man in diesem Sinne fündig. Klaus Heck (der angibt, sich als Sozialpädagoge bereits selbst mit Jobcentern beschäftigt zu haben) führt dort in seinem Artikel "Der Tod von Irene N. im Jobcenter Neuss war (auch) ein Unfall" aus, was ihm auf der Seele brennt. Denn Heck scheint sich sicher zu sein, "dass der Täter nicht nur Opfer sein könnte, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch war" und zudem "den in Jobcentern üblichen Demütigungen, Verdächtigungen, Verfolgungen usw. tatsächlich ausgesetzt" gewesen ist. Und er fügt später hinzu: "In jeder Kommunikation ist immer jeder auch 'Täter'." Also auch Klaus Heck selbst?

Rufen wir uns in Erinnerung, dass eine Frau gestorben ist, und zwar eine Frau, die, anders als Osama bin Laden und Spießgesellen, niemals jemandem nach dem Leben getrachtet hat. Keine Kriminelle, keine Terroristin, keine Diktatorin. Machen wir uns klar, dass diese Frau Angehörige hatte. Und ein kleines Kind. Das Ausmaß einer menschlichen Verwahrlosung begreift man vor allem dann, wenn man keine Sekunde aus den Augen verliert, über was für ein Schicksal sich Schreibtischtäter gerade mit tief empfundener Häme auslassen.

Schauen wir uns nun Überschriften aus dem Kommentarbereich des Artikels an: "Schicksal", "Die Mordbuben sitzen woanders", "Das war der berühmte Arschtritt der passieren musste", "Beide sind Opfer", "Nun wissen wir: die Mitarbeiter des Jobcenters sind auch schwer vermittelbar!".

Schon angewidert? Lässt man die Überschriften hinter sich und wirft einen Blick auf die Kommentare selbst, wird es noch gruseliger: Da wird dann argumentiert, dass Teilnehmer der Wannseekonferenz zumindest am Ende am Strick gebaumelt hätten, was den verantwortlichen (wohl verborgenen) "Haupttätern" im Neusser Fall wohl erspart bleiben werde. Und wie man sich denn überhaupt in die Position begeben könne, in einem Jobcenter zu arbeiten "wie Tausende kleiner Konzentrationslagerbedienstete". Denn natürlich - wie sollte es anders sein? - kommt auch der Holocaustneid nicht zu kurz: Manche Kommentatoren steigern sich mit Wonne in Vernichtungsphantasien hinein, wobei natürlich der arme Mensch am heimatlichen Bildschirm, der überhaupt nichts zum Leben hat (aber alles, was darüber hinausgeht, wie etwa Computer, Monitor, Internetanschluss und Drucker), das von Vernichtung bedrohte Opfer ist und die dunklen Machenschaften des Finanzkapitals die Täter nur schemenhaft erahnen lassen. Und in deren Diensten stand, da ist man sich sicher, die Ermordete.

"Er hätte die blöde  Kuh (ich bin fest davon überzeugt das die das mehr als verdient hat) einfach mit bloßen Händen erschlagen sollen." So einfach ist das: Man kennt die Frau nicht, hatte nie mit ihr zu tun, weiß aber irgendwie instinktiv, dass sie es verdient hat. Ob dieser Kommentator auch Freude daran fände, diese Theorie dem Kind zu unterbreiten, das jetzt Halbwaise ist? Verwundern würde das nicht. Ein anderer Kommentator weiß wiederum ganz genau, bei wem die eigentliche Schuld liegt: "Würden Mitarbeiter(innen) von Jobcentren die Würde von Menschen nicht mit Füßen treten, würde es gar nicht erst zu solchen Vorfällen kommen! " Und den ganz großen Durchblick glaubt der Kommentator "reisender2011" zu haben: "Hartz IV ist Krieg gegen eine ganze Bevölkerungsschicht. Und in einem Krieg gibt es nun einmal Tote. Ob das Ganze nun Totschlag, oder Mord im Affekt war, ist eigentlich egal." Ein anderer Kommentator scheint ähnliche Ansichten zu haben: "Als Soldaten in Zivil an der Front des Sozialabbaus müssen die Mitarbeiter bei der Ausführung der Angriffsbefehle des Kapitals gegen die soziale Gerechtigkeit damit rechnen, dass der Gegner auch mal zurückschießt."

Die Lektüre dieser Kommentare mag bei normalen Menschen Brechreiz ausüben, sie bringt aber auch Erkenntnis: Wer in Deutschland nicht nur keine Zukunftsaussichten hat, sondern auch menschlich und moralisch völlig gescheitert ist, der landet am Ende beim Hassprediger, bei der NPD oder eben bei Telepolis im Kommentarbereich. Der Internet-Wutbürger ist die moderne Entsprechung des mittelalterlichen Dorfbewohners, der selbst zu Fackel und Mistgabel greift, um mal ordentlich aufzuräumen, wenn er genau zu wissen glaubt, wo das Böse gerade sein hässliches Gesicht gezeigt hat. Und für den Gewaltproleten des 21. Jahrhunderts zeigt sich es nun einmal im Jobcenter. Dabei sollte der moderne Wutbürger nach diesem Gesicht mal an ganz anderer Stelle suchen: nämlich im Badezimmerspiegel.

Man fragt sich verwundert, mit welcher Berechtigung die Telepolis-Redaktion da noch über die Entgleisungen, die in den Kommentarbereichen vermeintlicher oder wirklicher rechtspopulistischer Blogs auftauchen, die Nase rümpfen möchte. Der eigene Saustall scheint noch lange nicht ausgemistet.

Dieser Artikel erschien am 4. Oktober 2012 auch auf dem Blog "Achse des Guten":
http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/die_wutbuerger_sind_unter_uns/

Zum Tag der Deutschen Einheit
03.10.2012 22:37:39
Zum Tag der Deutschen Einheit
von N. Lightenment (P)

Kurz und knapp... der 3. Oktober ist ein Tag, der auch für den Untergang eines undemokratischen und menschenverachtenden Systems steht. Noch heute sind jene, die dieses System getragen haben, unter uns. Noch heute sind sie parteipolitisch organisiert. Sie haben es in den letzten 22 Jahren erfolgreich geschafft, dass eine Normalisierung, die richtigerweise Abnormalisierung heissen müsste, im Umgang mit ihnen stattgefunden hat. Zumindest vielerorts.

Auch daran gemahnt uns der 3. Oktober.
Jobcenter Neuss: Die Tat eines Intensivopfers
02.10.2012 08:03:34

Jobcenter Neuss: Die Tat eines Intensivopfers
von Thomas Baader

Kennen Sie Scharf-Links? Das ist eine Online-Zeitung, bei der man all jene Artikel veröffentlichen kann, die der taz zu dämlich sind. Dort schrieb nun eine gewisse Elisabeth Umezulike einen Artikel zum Mord im Neusser Jobcenter. Das nennt sich dann "Kommentar aus der Perspektive einer Betroffenen" - natürlich nicht betroffen von Mord und Totschlag, sondern von Hartz IV. Diese Art von Qualifikation macht Frau Umezulike zur kompetenten Expertin für die Jobcenter-Bluttat. Denn sie weiß:

"In manchen (und insgesamt weit selteneren) Fällen richten sich die angestauten Frustrationen in Form offener Aggression aber auch nach außen, wo dann allerdings nicht jene getroffen werden, die für das soziale Elend und die Stigmatisierung Erwerbsloser die Hauptverantwortlichen sind (selbstverständlich ist hier auch jeder einzelne Sachbearbeiter in seiner Eigenverantwortung gefragt!).
So war es offenbar auch im vorliegenden Fall, in dem wir daher letztlich (mindestens) 2 Opfer zu beklagen haben: die Sachbearbeiterin, die Ausführende und Entscheidungsträgerin innerhalb eines hochgradig ungerechten und bösartigen Systems war, dem sie selbst bei gutem Willen nur wenig entgegensetzen konnte und der Angreifer, wahrscheinlich ein Verzweiflungstäter, selbst.
Ja, auch der Täter (dessen Handeln damit nicht moralisch gerechtfertigt sein soll) ist ein Opfer der systemischen Unmenschlichkeit der Hartz4-Praxis und war es bereits vor seiner Tat.
Ein gnadenloses Arbeitslosen-Bestrafungssystem, das die Opfer der wirtschaftlichen Entwicklung im Spätkapitalismus zu Schuldigen erklärt, hat es letztlich selbst verursacht, wenn diese irgendwann im Kampf um einen Rest an Würde selbst zu Tätern werden."

Bumm! Und wenn jetzt irgendein Leser dadurch, dass er diesen Schwachsinn rezipieren muss, angesichts der Unmenschlichkeit dieser scharflinken Schreibtischtäterin sich in seiner Würde als Vernunftwesen verletzt sieht und daraufhin beschließt, selbst zum Täter bzw. Opfer bzw. Opfertäter zu werden und der Scharflinks-Redaktion einen Besuch abstattet, dann wird Frau Umzulike als potenzielles Opferopfer dieser Tat bestimmt auch dafür Verständnis haben.

Und wenn doch nicht, dann wird es mit Sicherheit irgendein anderer Schwachkopf tun.

Dieser Artikel erschien am 2. Oktober 2012 auch auf dem Blog "Achse des Guten":
http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/die_tat_eines_intensivopfers/

Türken wehrt euch!
24.09.2012 13:48:08

Lesehinweis

Für Buschkowsky hat der Alltag in Neukölln wenig zu tun mit Milchkaffee und Galerien, für ihn ist Neukölln immer noch Deutschlands Hinterhof: „An der roten Ampel schauen alle möglichst stur geradeaus, um nicht von den Streetfightern aus dem Wagen nebenan angepöbelt und gefragt zu werden ,Haste du ein Problem? Könn‘ wir gleich lösen!‘“ So schreibt es der 64-Jährige in seinem neuen Buch „Neukölln ist überall“.
Serkan Topcu hat diesen Satz auch gelesen. „Wahrscheinlich meint er damit Leute wie mich“, sagt der junge Türke, der am Karl-Marx-Platz in Neukölln mit Freunden vor seiner getunten Mercedes E-Klasse steht. Klar seien sie häufig mit dem Auto unterwegs in ihrem Kiez, und manchmal falle auch der ein oder andere Spruch, sagt Serkan. „Wir wollen damit aber niemandem Angst machen.“ Ein Stück weit müsse man sein Revier ja auch verteidigen dürfen. „Die Deutschen geben uns die ganze Zeit das Gefühl, wir seien hier nicht erwünscht. Ist doch klar, dass wir uns wehren müssen“, sagt er.

http://www.focus.de/politik/deutschland/tid-27448/neukoelln-ist-ueberall-heinz-buschkowskys-gefaehrliche-abrechnung-mit-neukoelln_aid_825370.html

Film "Die Unschuld der Muslime": Eine Quizfrage
23.09.2012 17:00:19

Film "Die Unschuld der Muslime": Eine Quizfrage
von N. Lightenment (P)

Wer beleidigt eine Religion wohl mehr:

a) Jemand, der einen Schmähfilm über den Religionsgründer dreht?

b) Jemand, der im Namen eines Gottes, der ein Gott der Liebe ist, und einer Religion, die eine Religion des Friedens ist, andere Menschen umbringt (und noch nicht einmal die "Schuldigen", sondern einfach irgendwen)?

Die Antwort sollte eigentlich klar sein.

Warum richten sich dann aber die Proteste der Muslime, auch in Deutschland, vorrangig oder sogar ausschließlich gegen den Film?

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