DIE MENSCHENRECHTSFUNDAMENTALISTEN
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Diese Kategorie umfasst Rezensionen (was nicht wirklich überrascht).
Wider das Schubladendenken
25.03.2013 15:44:12
Wider das Schubladendenken
Rezension - Daniel Krause: "Als Linker gegen Islamismus - Ein schwuler Lehrer zeigt Courage"
von Thomas Baader
 
Bis Sommer 2012 war Daniel Krause einer breiten Öffentlichkeit völlig unbekannt. Dann jedoch ergriff der bekennende Homosexuelle und Grünen-Wähler öffentlich das Wort gegen eine Kundgebung radikaler Salafisten. Das Problem dabei: Er tat dies im Rahmen einer Demonstration der rechtspopulistischen Partei Pro NRW. Ob Krause hierbei naiv oder mit Kalkül vorging, soll nicht Thema dieser Rezension sein. Jedenfalls gab es seither sowohl Anfeindungen aus dem linken Lager wie auch Versuche von rechtsaußen, den schwulen Lehrer für sich zu vereinnahmen. Gegen letztere hat er sich schließlich entschieden gewehrt - nicht dass dies die Vereinnahmungsversuche gestoppt hätte. Aber gegen Beifall von der falschen Seite ist nun einmal niemand gefeit, auch niemand, der aufrichtig genug ist, es als großen Fehler zu bezeichnen, eine solche Rede innerhalb dieses Rahmens gehalten zu haben.
 
Nun hat Daniel Krause ein Buch geschrieben: "Als Linker gegen Islamismus - Ein schwuler Lehrer zeigt Courage". Der Titel scheint auf den ersten Blick klare Fronten zu schaffen: Hier die Linken, mit denen sich der Autor identifiziert, da der Islamismus als Gegner. Tatsächlich aber enthält die kurze Schrift eine zweifache Stoßrichtung, denn neben einer pronocierten Islamkritik kommt auch eine kritische Betrachtung der deutschen Linken und ihres Schubladendenkens zum Ausdruck. Die knapp 170 Seiten starke Streitschrift geht nämlich auch der Frage nach, weshalb das linksliberale Lager immer und immer wieder den Schulterschluss sucht mit Kräften, die seinen Überzeugungen und Werten diametral entgegenstehen - Kräften wie etwa den reaktionären Islamverbänden.
 
Krause weiß, was man ihm auch weiterhin vorwerfen wird. Dementsprechend ist dem ersten Kapitel eine kurze Auflistung vorangestellt: "Was dieses Buch nicht ist." Der Verfasser weist klar zurück, eine Religion auf Kosten der anderen zu verherrlichen, Rechtsextremismus zu verharmlosen, von linksgrüner Gesinnung Abschied zu nehmen, Muslime pauschal zu verurteilen oder ein Buch über "Ausländer" geschrieben zu haben.
 
Was das Buch aber schließlich ist, ist ein Eintreten für eine zutiefst humanistische Überzeugung. Und hierbei erkennt Krause richtigerweise gravierende Defizite im Umgang der Politik mit Manifestationen antimoderner Religiosität. Dabei gelingt nicht immer eine trennscharfe Abgrenzung zwischen "Islamismus" und "Islam". Der Verfasser benutzt in der Regel den Begriff "Islamismus", aber einige der genannten Beispiele (Eltern, die ihre Kinder vom Schwimmunterricht abmelden wollen) betreffen wohl keine Islamisten, sondern schlichtweg reaktionäre und antiemanzipatorische Muslime - wodurch eigentlich deutlich werden sollte, dass sich die vorhandenen Probleme nicht auf den Islamismus beschränken.
 
Dem niederländischen Nachbarland gilt das besondere Augenmerk Krauses und er kommt zu dem Schluss, dass die deutsche Integrationsdebatte der holländischen um mindestens zehn Jahre hinterherhinkt. Der Leser erfährt interessante Details: Wie in Rotterdam Polizei und Staatsanwaltschaft aufgrund veränderter Konzepte erfolgreicher gegen Kriminalität im migrantischen Milieu vorgehen. Wie Integrationsverweigerung mittlerweile auch auf Sanktionen trifft. Wie der ermordete Pim Fortuyn zu seinen Lebzeiten vom marrokanischstämmigen Bürgermeister Rotterdams Ahmed Aboutaleb als "abscheulicher Moslemhasser" beschimpft wurde und wie derselbe Ahmed Aboutaleb heute von dem (übrigens mittlerweile durch die Benennung eines "Pim Fortuyn-plaats" geehrten) Politiker als "einen der größten Niederländer aller Zeiten" spricht. Gleichwohl geht Krause auf Distanz zum niederländischen Enfant terrible Geert Wilders.
 
Krauses Streitschrift benennt die wesentlichen gesellschaftlichen Probleme in Deutschland durchgehend korrekt. So wird zum Beispiel deutlich, wie sehr die öffentliche Aufmerksamkeit auf den Tätigkeiten rechtspopulistischer, jedoch völlig marginalisierter Parteien liegt und nicht auf islamistischen Umtrieben, die in wesentlich größeren Dimensionen daherkommen ("Das Hochhalten von Mohammed-Bildchen war der deutschen Presse eine größere Meldung wert als der Aufruf einer islamistischen Masse zur Vernichtung Israels"). Auch ist der Befund als richtig zu werten, wonach erzkonservative Islamverbände, die sich durch fragwürdige Positionierungen zu Frauen- und Homosexuellenrechten hervortun, durch die Einführung des Unterrichtsfachs Islamkunde von der Politik aufgewertet werden und einen unheilvollen Einfluss auf die muslimische Schülerschaft gewinnen. Und treffend beschreibt Krause auch die ressentimentgeladene Triebfeder jener vermeintlich linken, islamistenfreundlichen Kräfte, wenn er urteilt: "Zumindest unterbewusst stehen viele Antifas solidarisch zu islamistischen Bewegungen, sofern sie jene als anti-amerikanisch wahrnehmen."
 
Das Buch überzeugt durch eine sachliche Analyse des Zustandes und passgenaue Lösungsvorschläge. "Leitkultur" versteht Krause nicht als nationalistisches Agitationsfeld , sondern in einem humanistischen Sinne als Bekenntnis zur Gleichberechtigung der Geschlechter und als Abkehr von der Unkultur eines leichtsinnigen und geschichtsvergessenen Relativismus. Er schafft beim Leser ein Bewusstsein dafür, welches Ausmaß der Antisemitismus im muslimischen Milieu in Deutschland angenommen hat: Der Sender Al-Aqsa etwa verbreitet die Verschwörungstheorie, das jüdische Volk selbst habe seine Alten und Kranken umgebracht und das Ganze dann als Nazi-Holocaust getarnt. Al-Aqsa kann auch in Deutschland empfangen werden. Wen wundert es da noch, dass die Aussage "Juden haben in dieser Welt zu viel Einfluss" bei 38,5% der arabischstämmigen Jugendlichen auf Zustimmung trifft (aber nur bei 2,1% der deutschen Jugendlichen ohne Migrationshintergrund)?
 
Einen persönlichen Ton kriegt das Buch, als Krause von seiner Beratungstätigkeit für junge muslimische Homosexuelle berichtet. Der inneren Zerrissenheit, die durch die Lebenssituation als homosexueller Moslem entsteht, sind viele nicht gewachsen, und Selbstmord ist ein häufig gewählter "Ausweg". Von diesen persönlichen Erfahrungen des Verfassers hätte man sich als Leser vielleicht noch ein wenig mehr gewünscht.
 
Daniel Krause wird zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Rezension in "linken" Webpublikationen noch immer übel beschimpft, bis hin zu der - im Grunde freilich kulturrelativistisch motivierten schwulenfeindlichen - Bezichtigung des "Homonationalismus". Man darf bezweifeln, dass die anonymen Hass-Blogger Krauses Buch gelesen haben. Dessen Rat an seine Leser gegen Ende des Buches lautet übrigens: "Verurteilen Sie niemals Muslime pauschal."
 

Sie finden diesen Artikel auch als Kundenrezension bei Amazon, wo Sie sie gerne als "hilfreich" bewerten dürfen:
 
Die Mitte ist schlecht, weil sie nicht so ist wie wir (3)
21.01.2013 21:04:39

Die Mitte ist schlecht, weil sie nicht so ist wie wir
Kritische Betrachtung der Studie "Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012" der Friedrich-Ebert-Stiftung
von Thomas Baader

TEIL 3

3. Ungeeignete Fragestellungen, um Rechtsextremismus unter Migranten angemessen untersuchen zu können

Es ist offensichtlich, dass es nicht die Absicht der Verfasser ist, rechtsextreme Einstellungen unter Migranten zu untersuchen. Das Augenmerk gilt dem einheimischen, nicht dem importierten Rechtsextremismus. Auf Seite 108 heißt es wörtlich: "Es ist plausibel zu vermuten, dass die Zustimmung zu rechtsextremem Gedankengut unter Migrantinnen und Migranten deutlich geringer ausfällt als in der Vergleichsgruppe. Der von uns genutzte Rechtsextremismus-Fragebogen ist auf Deutschland eingestellt, das heißt die Items sind im Hinblick auf den nationalen Kontext formuliert."

Hierzu lässt sich festhalten:
- Plausibel ist natürlich lediglich, dass es unter Migrantinnen und Migranten weniger Zustimmung zum Rechtsextremismus altdeutscher Prägung gibt (so wie es bei Menschen ohne Migrationshintergrund weniger Zustimmung geben dürfte zu rechtsextremen Inhalten der "Grauen Wölfe", als es bei Türkischstämmigen der Fall ist). Nicht plausibel ist es zu vermuten, dass Migrantinnen und Migranten rechtsextremem Gedankengut im Allgemeinen weniger zustimmen würden.
- Der Hinweis, dass der Fragebogen "auf Deutschland eingestellt" sei und entsprechende Items verwendet würden, dient zwar durchaus der Transparenz, offenbart aber zugleich in Überdeutlichkeit das Defizitäre der Studie. Anders ausgedrückt: Die Verfasser machen aus ihrer beabsichtigten Einseitigkeit keinen Hehl.

Zu Recht stellt Hartmut Krauss daher bezüglich der "Mitte"-Studie fest:

"Die Erfassung der Quantität und Essenz rechtsextremistischer Einstellungen konzentriert sich bislang fast ausschließlich auf die einheimische deutsche Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. Mit dieser einseitigen Ausrichtung wird die traditionelle Rechtsextremismusforschung der veränderten Realität einer multiethnischen Zuwanderungsgesellschaft aber nicht mehr gerecht, denn sie vermittelt mit dieser Fokussierung mittlerweile ein verzerrtes Bild der wirklichen Problemlage. [...] Die auf Deutsche ohne Migrationshintergrund zugeschnittenen Fragebatterien sind nicht in der Lage, den realen Inhalt und das wirkliche Ausmaß rechtsextremistischer Einstellungen von Migranten im Allgemeinen und muslimischen Migranten im Besonderen zu erfassen. Hierzu wäre es zum Beispiel notwendig, Fragebatterien zu entwickeln, die (a) eine übersteigert-nationalistische Identifikation mit der Herkunftsnation bzw. ethnischen Herkunftsgruppe ausweisen könnten, (b) das subjektive Einstellungsverhältnis zu Verbrechen der eigenen Herkunftsgruppe eruierten (Türkischstämmige im Hinblick auf die Verbrechen an den Armeniern oder im Hinblick auf das Verhältnis zu den Kurden) und (c) religiös-weltanschauliche Überlegenheits- und Herrschaftsansprüche gegenüber 'Fremdgruppen' ermittelten."
(
http://www.gam-online.de/text-Rechtsextremismusforschung.html)

Die Verfasser der Studie haben also allen Ernstes auf "Bio-Deutsche" zugeschnittene Items wie "Eigentlich sind die Deutschen anderen Völkern von Natur aus überlegen" und "Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert" Menschen mit türkischem und arabischem Migrationshintergrund vorgelegt und dies mit der banalen Aussage kommentiert, dass die Zustimmung der Migrantinnen und Migranten zu diesen Aussagen erwartungsgemäß geringer ausfiel. Der wissenschaftliche Wert dieser Erkenntnis tendiert gegen null. Die fatale Konsequenz aus dieser Haltung ist, dass jene, die unter dem importierten Rechtsextremismus zu leiden haben, mit dem Problem alleine gelassen werden. Zu ihnen gehören etwa die Aleviten in Deutschland. Treffend sagte Ali Ertan Toprak, der zweite Vorsitzende der Alevitischen Gemeinde, in einem Welt-Online-Interview im Jahr 2011: "Auf dem rechten Auge ist Rot-Grün in NRW wie anderswo oft blind – wenn es um Migranten geht." (http://www.welt.de/politik/deutschland/article13242127/SPD-und-Gruene-machen-Radikale-salonfaehig.html)

Zwar bezeichnen die Verfasser die Tatsache es als "bemerkenswert", dass ihre Studie auch zu dem Ergebnis kommt, dass mehr Migrantinnen und Migranten ohne deutsche Staatsbürgerschaft zur Verharmlosung des Nationalsozialismus neigen, als es Deutsche ohne Migrationshintergrund tun (S. 109); das Kapitel "Handlungsfelder" nimmt jedoch keinen Bezug auf diesen Befund, sodass keine Konsequenzen aus dieser "bemerkenswerten" Erkenntnis gezogen werden. Dass den Verfassern überdies der Bedeutungsunterschied der Wörter "anscheinend" und "scheinbar" nicht geläufig ist, fällt angesichts dieses Umstandes kaum ins Gewicht (S. 108: "Von diesen Parteien [Linke und Piratenpartei] fühlen sich Migrantinnen und Migranten scheinbar etwas eher vertreten als andere.")

Fazit

Die Studie zeigt, wie detailliert dargelegt wurde, eine deutliche ideologische Färbung, die naturgemäß wissenschaftlicher Erkenntnis abträglich ist. Die drei Hauptmängel der Studie lassen sich, so darf vermutet werden, auf dieselbe Ursache zurückführen:

- Der Studie gelingt keine brauchbare und tragfähige Differenzierung zwischen "Islamfeindschaft" und Islamkritik, weil man eine solche eindeutige Differenzierung nicht will.
- Die Studie erfasst linksextremistische Einstellungen nicht angemessen, weil man diese nicht erfassen will.
- Die Studie erfasst rechtsextremistische Einstellungen unter Migrantinnen und Migranten nicht angemessen, weil man diese nicht erfassen will.

Das Weltbild der Verfasser lässt bestimmte Erkenntnisse von vorneherein nicht zu. Die "Mitte"-Studie und das Milieu, das sie hervorgebracht hat, müsste zunächst zu kritischer Selbstreflexion in der Lage sein, um dieses Defizit zu überwinden. Die Ausführungen der Verfasser geben allerdings keinerlei Anlass zu der Hoffnung, dass eine solche konstruktive Einstellung dort vorherrschend ist. In diesem Zusammenhang sei auf die aktuelle Debatte um Jakob Augstein verwiesen, die denselben Geist atmet: Wer das Phänomen des linken Antisemitismus nicht zur Kenntnis nehmen will (so, wie die Verfasser etwa nicht das Phänomen des Linksextremismus zur Kenntnis nehmen wollen), der kann Äußerungen eines "Linken" auch dann nicht als antisemitisch einordnen, wenn dieselben Äußerungen, getätigt von einem Konservativen, klar und eindeutig als antisemitisch gewertet würden.

Erschreckend ist zudem der Umgang der Medien mit der Studie. Obwohl kaum ein Journalist sie vollständig gelesen haben dürfte, wird sie völlig unkritisch im Sinne einer verlässlichen Quelle zitiert. Die vorliegende Analyse hat daher den Versuch unternommen, Aufklärung zu leisten.

Die Mitte ist schlecht, weil sie nicht so ist wie wir (2)
24.12.2012 14:03:20

Die Mitte ist schlecht, weil sie nicht so ist wie wir
Kritische Betrachtung der Studie "Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012" der Friedrich-Ebert-Stiftung
von Thomas Baader

TEIL 2

2. Relativierung des Linksextremismus

An der Studie befremdet, dass sie als analytische Betrachtung des Phänomens Rechtsextremismus offenbar nicht ohne eine ideologisch motivierte Relativierung des Phänomens Linksextremismus auskommt. So heißt es auf Seite 16 wörtlich:

"Die Gleichsetzung von rechts und links ist ideologisch geleitet, analytisch irreführend und inhaltlich fragwürdig. Auf den Punkt gebracht: 'Rechtsextremismus strebt die Beseitigung der Demokratie, der Sozialismus jedoch die Abschaffung des Kapitalismus an.' Beide - und also
'links' und 'rechts' - sind deshalb nicht auf dieselbe Stufe zu stellen."

Mit einigen einfachen Taschenspielertricks schaffen die Autoren hier eine begriffliche wie inhaltliche Verwirrung:
- Eine Gleichsetzung von "linksextrem" und "rechtsextrem" findet, entgegen der Behauptung der Verfasser, in der Regel gar nicht statt. Die jetzige Bundesregierung etwa hatte ca. 24 Millionen für den Kampf gegen Rechtsextremismus bereitgestellt und ca. 5 Millionen Euro für den Kampf gegen Linksextremismus und Islamismus (zusammen, nicht jeweils!). Den zahlreichen Initiativen, die deutschlandweit gegen Rechtsextremismus existieren, steht keine entsprechende Anzahl von Initiativen gegenüber, die sich mit demokratiegefährdenden Strömungen anderer Art befassen. Linksextremismus wird also nicht über-, sondern unterschätzt.
- Die Autoren missachten in ihrer Polemik die den Begriffen "links" und "rechts" grundsätzlich innewohnende Gegensätzlichkeit, die durch den Zusatz "extremistisch" lediglich in dem Sinne ergänzt wird, als dass eine Unvereinbarkeit der jeweiligen Positionen mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zum Ausdruck gebracht wird. Der Erfuter Politikwissenschaftler Steffen Kailitz schreibt daher zu Recht: "Immer wieder bringen Kritiker wie Christoph Butterwegge (2002) den Einwand vor, die Extremismusforschung setze Links- und Rechtsextremismus gleich. Schon die Vorsilben "links" und "rechts" vor Extremismus zeigen jedoch die Anerkennung der entgegengesetzten ideologischen Ausrichtung der Phänomene an." (
http://www.dvpw-extremismus.uni-bonn.de/dokumente/Kailitz-Perspektiven-03.html)
- In ihrer Argumentation ersetzen die Autoren den Begriff "Linksextremismus" ohne Angabe von Gründen durch den Begriff "Sozialismus". Diese Vorgehensweise kann als "Methode Drohsel" bezeichnet werden: Im Oktober 2009 gab die damalige Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel der linksalternativen "tageszeitung" (taz) ein Interview. Konfrontiert mit der Frage "Gibt es einen Unterschied zwischen Links- und Rechtsextremismus?" antwortete Drohsel: "Rechtsextremismus spricht Menschen das Recht auf Leben ab. Grundlage linker Politik ist das Streben nach einem freien und selbstbestimmten Leben für alle." Man beachte: Befragt nach Linksextremismus, liefert Drohsel eine Definition von linker (also nicht notwendigerweise extremistischer) Politik in ihrem Sinne, umgeht also somit die eigentliche Fragestellung. Interessanterweise kombinierte die taz damals das Interview mit einem Foto von Drohsel, das in Anlehnung an das berühmte Gedicht von Ernst Jandl die Bildunterschrift erhielt: "Drohsel meint, lechts und rinks kann man nicht velwechsern." Bekanntermaßen war Drohsel zeitweise Mitglied im Verein "Rote Hilfe", der ehemaligen RAF-Terroristen und Stasi-Leuten sowie der kurdischen Terrororganisation PKK Unterstützung gewährt. Nun scheint der Fall Drohsel zu illustrieren, dass gerade jene, die Abgrenzungschwierigkeiten gegenüber dem linksextremen Spektrum aufweisen, dazu neigen, die Existenz des Linksextremismus zu leugnen. Auch die Autoren der Studie begeben sich in dieses Fahrwasser, wenn sie auf entsprechende Argumenationsmuster zurückgreifen.

Letztlich machen die Autoren sinngemäß folgende Aussage: Es gibt den Extremismus am rechten Rand der Gesellschaft und, dem Titel der Studie entsprechend, eben auch in der Mitte. Das linke Spektrum erhält hingegen einen Freispruch ohne jegliche vorangegangene gerichtliche Untersuchung.
Antidemokratisch ist für die Autoren offenbar per se rechtsextrem - als ob es niemals Stalinismus, DDR und RAF-Terror gegeben hätte. Indem die Verfasser etwa Antisemitismus als (in die Mitte reichendes) rechtsextremes Phänomen wahrnehmen, ignorieren sie die von Samuel Salzborn und Sebastian Voigt durchgeführte Studie aus dem Jahr 2011 zu Antisemitismus in der Linkspartei. Die krude Logik der Verfasser scheint zu sein: Wenn Linke wirklich antisemitisch sind, dann  sind sie rechts. Damit wird ein Phänomen a priori als nicht-extistent erklärt, was keinen wissnschaftlichen, sondern ideologischen Ansatz darstellt.

Die Ziele linksextremer Betätigung finden durch die Wortwahl eine entsprechende Verharmlosung. Wollten denn die Terroristen der Roten-Armee-Fraktion tatsächlich nur eine "Abschaffung des Kapitalismus" und keine "Beseitigung der Demokratie"? Hat jemand, der versucht, einen Polizisten anzuzünden, etwa menschenfreundliche Absichten? Linksextreme Betätigung ist in der jüngeren deutschen Geschichte derartig gut dokumentiert, dass man den Leugnern solcher Taten offene Geschichtsfälschung vorwerfen muss.

Demokratiefeindliche Strömungen rechts und mittig, bloß nicht da, wo wir selbst stehen - also links? Soll das ernsthaft die Botschaft der Autoren sein? Die Behauptung, Linksextremismus gäbe es nicht, ist selbst als linkspopulistische Argumentationsfigur zu werten. Der Linksextremismus stellt jedoch kein zu vernachlässigendes Phänomen dar. Ihn vor dem Hintergrund des Rechtsextremismus zu relativieren ist unredlich. Ein humanistischer Ansatz sollte Radikalisierung jeder Art in Betracht ziehen und entsprechend gewappnet sein.

TEIL 3 FOLGT IN KÜRZE!

Die Mitte ist schlecht, weil sie nicht so ist wie wir (1)
02.12.2012 11:29:42

Die Mitte ist schlecht, weil sie nicht so ist wie wir
Kritische Betrachtung der Studie "Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012" der Friedrich-Ebert-Stiftung
von Thomas Baader

TEIL 1

Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zu rechtsextremen Einstellungen in Deutschland wird seit 2002 alle zwei Jahre durchgeführt. Grundgedanke der "Mitte"-Studien ist hierbei, dass rechtsextreme Einstellungen nicht nur am Rand der Gesellschaft exisitieren, sondern bis weit in die Mitte hineinreichen. Die Mitte der Gesellschaft ist also, so könnte man die Position der Verfasser paraphrasieren, rechtsextremistisch kontaminiert. Diese Position rief durchaus auch Kritik hervor: In einem Gastkommentar im "Tagesspiegel" im Oktober 2010 warf der Politikwissenschaftler Klaus Schroeder der Friedrich-Ebert-Stiftung vor, die Mitte als rechtsextrem zu diffamieren und eine "offen ausgesprochene linke Kampfschrift gegen liberale und konservative Auffassungen und die hiesige Gesellschaftsordnung" produziert zu haben. Daneben gab es aber auch eine Vielzahl von positiven Reaktionen.

Die Veröffentlichung der neuesten Studie hat in den Medien ein großes Echo gefunden. Die Stuttgarter Zeitung titelte gar "Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung - Die Juden von heute sind die Muslime" und weist damit, ohne es zu wollen, auf einen Teilaspekt dessen hin, was an der Studie, zumindest aber an ihrer Interpretation, problematisch ist. Dass die Studie abgesehen von den hier diskutierten Fragwürdigkeiten dort, wo sie sich nicht in Widersprüche verstrickt, einen wertvollen Beitrag zur Erforschung fremdenfeindlicher und antidemokratischer Einstellungen leistet, sei nicht angezweifelt. Diese Verdienste können die Verfasser allerdings nicht davor schützen, dass auch die Defizite der Studie kritisch beleuchtet werden müssen.

Der Darstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung sind vor allem die folgenden Mängel vorzuwerfen: 1. Begriffliche und inhaltliche Unstimmigkeiten bei der Differenzierung zwischen Islamfeindlichkeit und Islamkritik; 2. Relativierung des Linksextremismus; 3. ungeeignete Fragestellungen, um Rechtsextremismus unter Migranten angemessen untersuchen zu können.

Weniger ins Gewicht fallen hingegen kleinere Unstimmigkeiten, die allerdings dennoch nicht unbeachtet bleiben sollten. So wird als antisemitische Aussage im Sinne eines "sekundären Antisemitismus" gewertet: "Wir sollten uns lieber gegenwärtigen Problemen widmen als Ereignissen, die mehr als 60 Jahre vergangen sind." (S. 78)
Wer also der Ansicht ist, dass die Bekämpfung von gegenwärtigen Problemen wie etwa des heutigen Antisemitismus (innerhalb der deutschen Gesellschaft, aber beispielsweise auch seitens des iranischen Präsidenten) Vorrang haben sollte vor dem Gedenken an die Opfer des Antisemitismus vor 60 Jahren, der ist nach Ansicht der Autoren Träger eines "sekundären Antisemitismus". Dies verblüfft, denn eine solche Fokussierung auf antisemitische Probleme der Gegenwart wird von jüdischen Akteuren immer wieder gefordert (vgl. hierzu Henryk Broder, "Vergesst Auschwitz!").

In ähnlicher Weise verwundert es, dass eine Definition des Rechtsextremismus zwar gegeben wird, im Verlaufe des Textes aber unscharf die Begriffe "rechtsextrem", "rechtspopulistisch" und "rechts" nahezu synonym verwendet werden. Dennoch aber soll diese Betrachtung von nun an auf die drei bereits genannten Schwerpunkte verengt werden:

1. Begriffliche und inhaltliche Unstimmigkeiten bei der Differenzierung zwischen Islamfeindlichkeit und Islamkritik

Die Studie unterscheidet zwischen (rassistischer) Islamfeindlichkeit und (aufklärerischer) Islamkritik (Seite 86). Zwar ist der Wille zur Differenzierung grundsätzlich positiv hervorzuheben, jedoch wird abermals mit unscharfen Begrifflichkeiten gearbeitet: Das Ressentiment gilt schließlich den Menschen (also Muslimen), nicht einer religiösen Lehre mit konkreten Inhalten. Es wäre als korrekt, von "Antimuslimismus" oder "Muslimfeindlichkeit" zu sprechen. Durch die Verwendung des Begriffes "Islamfeindlichkeit" vermischen die Verfasser selbst in unzulässiger Weise das Phänomen der Feindlichkeit gegenüber einer bestimmten Menschengruppe mit dem der ablehnenden Haltung gegenüber den Regeln und Vorstellungen einer Lehre. Auch wenn diese Erkenntnis manchem schwerfallen mag: Man darf jeder Religion, also etwa dem Katholizismus ebenso wie dem Islam, "feindlich" gegenüberstehen, da von einem Menschen schlechterdings nicht erwartet werden kann, ein freundliches oder auch nur neutrales Verhältnis aufzubauen gegenüber einem religiösen Regelwerk, das nicht seinen Grundüberzeugungen entspricht. In diesem Sinne sind vermutlich auch die Worte von Bundespräsident Joachim Gauck zu verstehen, wonach die Muslime und nicht der Islam Teil Deutschlands seien. Kritisch ist zudem auch anzumerken, dass die Verfasser nicht auf die Tatsache eingehen, dass es in der Forschung heftig umstritten ist, ob Ressentiments gegen Muslime tatsächlich als Teil des Phänomens "Rassismus" zu begreifen sind. Wo es um Religionszugehörigkeit, nicht aber um Ethnie, Nationalität oder Hautfarbe geht, liegt also in jedem Fall ein (möglicherweise unzulässig) erweiterter Rassismusbegriff vor.

Dennoch kann es als Fortschritt gesehen werden, dass sich im Umfeld der Friedrich-Ebert-Stiftung zumindest die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass Religionskritik "nicht nur mit Blick auf die christlichen Religionen ihre Berechtigung [hat], sondern [...] sich auch mit islamischen Religionen beschäftigen können [muss]" (S. 87). Für die Verfasser wirft diese Feststellung jedoch auch die Frage nach der Grenzziehung zwischen Islamkritik und "Islamfeindlichkeit" auf.

Als Kriterium für "Islamfeindlichkeit" sehen es die Verfasser an, die Muslime als "einheitlichen Block, innerhalb dessen keine Abweichung möglich sei", zu sehen (ebd.). Konkretisiert bedeutet dies, dass "der Islam als die primäre und tendenziell einzige Identitätsquelle für alle Muslime gesehen wird" und alle "anderen identitätsbildenden Momente - Nationalität, sozialer Stand, Beruf, Geschlecht etc." ausgeblendet würden (S. 87f). In der Tat beschreiben die Verfasser hier ein hochproblematisches Phänomen, vergessen aber dabei anzumerken, dass diese Betrachtungsweise nicht nur typisch ist für das rechtsextreme/rechtspopulistische Spektrum, sondern auch für eine paternalistisch-kulturrelativistische Linke, die ebenfalls dazu neigt, allen Menschen einer bestimmten Herkunft pauschalisierend das Label "Muslim" aufzudrücken. Dass "der Muslim" (oder mehr noch: der streng gläubige Muslim) als dominante Kategorie im Diskurs des rechtsextremen wie des linksgerichteten multikulturalistischen Spektrum zu gelten hat, sollte eigentlich zu denken geben.

Die Verfassser gestehen der Islamkritik zwar eine Berechtigung zu, stellen sie aber gleichzeitig unter eine strenge Beobachtung - sie muss bestimmte Kriterien der Seriosität erfüllen, um ernst genommen zu werden:
"Islamkritik muss - nicht nur in Abgrenzung zur Islamfeindlichkeit - immer in den Kontext einer Selbstreflexion über die eigene Gesellschaft eingebettet sein, die die eigenen Fehlentwicklungen und Schwachstellen im Hinblick auf eine universalistisch-individualistische Entwicklung der Menschheit ebenso im Blick behält und kritisiert wie die anderer Gesellschaften. Dies bedeutet, dass die Islamkritik auch immer über sich selber kritisch reflektieren sollte." (S. 91)

In der Tat ist eine selbstkritische Position, solange sie vernunft- und nicht ressentimentgeleitet ist, grundsätzlich begrüßenswert. Die Verfasser allerdings sprechen in dieser Hinsicht unmissverständlich von einem "muss". An ihren Ausführungen sind drei Dinge zu bemängeln:

(I) Insgesamt sind die Ausführungen zu wenig differenzierend. Zwar stimmt: Wer Homosexuellenfeindlichkeit im Islam kritisiert, aber Homosexuellenfeindlichkeit im nicht-islamischen Kontext herunterspielt (wie es auf "Politically Incorrect" und anderswo beinahe täglich passiert), hat tatsächlich ein Glaubwürdigkeitsproblem. Wer aber das Thema Kopftuchzwang im Zuge einer kritischen Betrachtung behandelt, muss nicht zwangsläufig vergleichsweise weitaus harmloseren frauenfeindlichen Phänomenen, die in keinem Zusammenhang mit dem Islam stehen, die gleiche Aufmerksamkeit schenken. Schwerpunktsetzung stellt innerhalb der Forschung eine normale Vorgehensweise dar. Die Forderung, "immer [!] über sich selbst zu reflektieren", ist für eine humanistisch motivierte Islamkritik eine unnötige Forderung, da der Humanismus von vorneherein bereits geeignete Maßstäbe für eine entsprechende Kritik liefert und menschenrechtliche Probleme nun einmal nicht überall in derselben Quantität und Qualtität auftauchen.

(II) Der Grundsatz, den die Verfasser aufstellen, müsste nicht nur für die Islamkritik gelten, sondern generell für alle Formen der kritisch-analytischen Auseinandersetzung. Es würde bedeuten, dass man seriöserweise nicht Kritik an einem bestimmten politischen Spektrum formulieren kann, ohne auch kritisch das Spektrum zu betrachten, dem man sich selbst zurechnet. An diese Leitlinie halten sich jedoch die (linken) Verfasser selbst nicht, wenn sie im Zusammenhang mit einer Studie über Rechtsextremismus erklären, dass Linksextremismus für sie kein relevantes Thema darstelle. Wo zeigen die Verfasser an dieser Stelle eigentlich die Fähigkeit, "immer über sich selbst zu reflektieren"?

(III) Die Verwendung der Formulierung "über die eigene Gesellschaft" impliziert, dass für die Verfasser selbst der Islam nicht Teil der eigenen Gesellschaft ist. Damit vertreten sie im Grunde die gleiche Position wie die von ihnen kritisierten "islamfeindlichen" Strömungen. Wenn wir aber im Gegensatz dazu annehmen würden, dass der Islam in Wahrheit längst Bestandteil unserer eigenen Gesellschaft ist, so wäre Islamkritik folgerichtig auch eine Kritik an den eigenen Zuständen - die Argumentation der Verfasser wäre dann hinfällig.

Mit Blick auf die Details werden die Mängel der Studie noch deutlicher: Das Item "Die islamische Welt ist rückständig und verweigert sich neuen Realitäten" (S. 92) wird unter "Islamfeindschaft", nicht unter "Islamkritik" aufgelistet. Wer also von einer Rückständigkeit der islamischen Staaten ausgeht, ist nach Ansicht der Verfasser "islamfeindlich". Die Frage würde hier aber lauten: rückständig in welcher Hinsicht? Es darf mit gutem Grund vermutet werden, dass die meisten Befragten von einer "gesellschaftlichen Rückständigkeit" ausgingen. Nun ist es allerdings so, dass islamische Länder in den entsprechenden Rankings üblicherweise schlecht abschneiden - die Aussage, dass die islamische Welt im Hinblick auf Menschenrechte und Demokratie vergleichsweise rückständig ist, stellt somit keineswegs, wie von den Autoren behauptet, eine "islamfeindliche" Aussage dar, sondern eine Tatsachenbehauptung. Den Begriff "Rückständigkeit" auf andere Bereiche zu beziehen, erscheint eher abwegig; hätte aber tatsächlich einer der Befragten das Adjektiv "rückständig" mit Infrastruktur, Wohnstandard etc. in Verbindung gebracht, so wäre auch hier ein klarer Rückstand gegenüber der westlichen Welt feststellbar. Übrigens: Nicht unter "Islamfeindschaft", sondern unter "Islamkritik" finden wir das Item "Die strikte Trennung von Staat und Kirche ist eine westliche Errungenschaft, die auch in vielen islamischen Ländern ein Fortschritt wäre." Abermals muss man sich wundern: Weshalb wird dieser Aussage zugestanden, Bestandteil von "Kritik" zu sein und nicht, wie obige Aussage, von "Feindlichkeit"? Schießlich handelt es sich bei Fortschrittlichkeit und Rückständigkeit um ein begriffliches Gegensatzpaar. Wenn die westliche Errungenschaft der Trennung von Staat und Kirche ein Fortschritt für islamische Länder wäre, aber eben nicht ist, weil sie dort nicht bis jetzt nicht existiert, dann muss man doch zwangsläufig zu der Aussage gelangen, dass die islamischen Staaten in diesem Bereich nicht forschrittlich, also eben rückständig sind. Damit sind wir aber bei genau jenem zuvor genannten Aussage angelangt, welche von den Verfassern als "islamfeindlich" eingestuft wird - obwohl sie nur eine logische Folge aus einer "islamkritischen" Aussage darstellt.

Eine bestimmte Tendenz in der Darstellung ist bereits an dieser Stelle unübersehbar: Während im Hinblick auf die Mehrheitsgesellschaft der Versuch unternommen wird, extremistische Tendenzen auch in der Mitte nachzuweisen, werden die extremistischen Tendenzen in der islamischen Community am Rand verortet. Mit einer Mischung aus (Schein-)Argumenten und (durch einerseits korrekte wie auch andererseits durch nicht plausible Fragestellungen zustandegekommene) Befunde wird also der Untersuchungsbereich eines potentiellen Extremismus im Hinblick auf die nicht-islamische Gesellschaft erweitert, im Hinblick auf die islamische Community hingegen begrenzt. Die Botschaft lautet: Problematische, antidemokratische und menschenrechtsfeindliche Einstellungen sind im Islam ein Randphänomen, und wer etwas anderes behauptet, ist ein rassistischer Islamfeind - problematische, antidemokratische und menschenrechtsfeindliche Einstellungen sind in der Mehrheitgesellschaft ein auf die Mitte übergreifendes Phänomen, und wer etwas anderes behauptet, ist ein Verharmloser. Dadurch sind die Autoren selbst jenem paternalistisch-kulturrelatvistischen Umfeld zuzuordnen, das sich selbst und ihren von ihnen intellektuell entmündigten Proteges, den Muslimen, der Kritik entzieht.

TEIL 2 FOLGT IN KÜRZE.

Gesammelt: Vernünftige Ansichten zum Buschkowsky-Buch
24.10.2012 19:58:10

Lesehinweise

Der Journalist Ertugrul Özkök in der "BILD":
Ein „Rassist“ ist der Bezirksbürgermeister von Neukölln ganz sicher nicht. Und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Buschkowsky ist ein sozialdemokratischer Politiker. In seinem Bezirk hat die SPD bei den letzten Wahlen 27 Sitze bekommen. Das sind genauso viel wie die Summe der Sitze der anderen Parteien. 40 Prozent der Einwohner in Neukölln sind nicht deutscher Herkunft. Wiederum mehr als die Hälfte von ihnen kommen aus muslimischen Ländern. Die Menschen, über die Buschkowsky spricht, sind auch seine eigenen Wähler. Deshalb sollte man die Sätze dieses Klartext-Politikers ernst nehmen, statt sie in Zweifel zu ziehen. Meiner Meinung nach ist Buschkowsky ein mutiger Politiker.
http://www.bild.de/politik/kolumnen/oezkoek-ertugrul/beruehmtester-tuerkischer-journalist-schreibt-in-bild-26717734.bild.html

Der Kabarettist und Autor Kerim Pamuk im "Hamburger Abendblatt":
Arabische und türkische Eltern, die zwar kaum ein Wort Deutsch sprechen, aber Experten sind, wenn es darum geht, Transferleistungen zu beantragen oder mit einem ärztlichen Gutachten ihre Töchter vom Schwimmunterricht befreien zu lassen. Frustrierte einheimische "Bio-Deutsche", die ihren Kiez nicht mehr wiedererkennen, alltägliche Belästigungen durch Anmache, Pöbelei und Lärm nicht mehr ertragen und wegziehen - genauso wie Einwanderer, die seit Jahrzehnten im Land leben, sich ein neues Leben aufgebaut haben, aber nicht mehr einsehen, warum sich die Töchter auf der Straße vor selbst ernannten islamischen Sittenwächtern rechtfertigen müssen, weil sie keine Kopftücher tragen. Ängstliche Polizisten, die bei Konflikten beide Augen zudrücken oder gar nicht erst eingreifen, weil sie nicht selbst Opfer tätlicher Gewalt werden wollen. Ein Viertel, in dem Gesetze keinen Pfifferling mehr wert sind und immer mehr das Recht des Stärkeren den Alltag bestimmt. Nirgendwo sonst scheint die Integration gründlicher gescheitert zu sein als in Neukölln. Buschkowskys Bestandsaufnahme der Zustände ist im wahrsten Sinne des Wortes krass und ungeschönt und genau darum lesenswert, weil er im Gegensatz zu anderen Berufenen weiß, wovon er redet. Weil er nicht im herabsetzenden Ton über andere Kulturkreise und deren Verhaltensweisen schwadroniert, sondern immer konkret aufzeigt, woraus sich die Probleme zusammensetzen. Weil er die jahrzehntelange Ignoranz der Politik und das Versagen des deutschen Staates genauso ins Visier nimmt. Er zeigt auf, welche fatalen gesellschaftlichen Folgen es haben kann, wenn deutsche Ignoranz und Kulturrelativismus auf Abschottung und Integrationsunwilligkeit mancher Einwandererschichten trifft.
http://www.abendblatt.de/kultur-live/article2410678/Neukoelln-ist-ueberall-Wo-Gesetze-nichts-mehr-gelten.html

Der Politikwissenschaftler Armin Pfahl-Traugbher auf "Endstation Rechts":
Buschkowsky sieht die geschilderten Probleme nicht auf der Basis von ethnischer Herkunft. Es ginge hauptsächlich um die Fähigkeit und den Willen, „sich an die herrschenden Lebensregeln anzupassen“ (S. 198). Der Autor ist somit ein einseitiger und vereinfachender, aber ein durchaus beachtenswerter und problemorientierter Akteur in der Debatte um „Integration“.
http://endstation-rechts.de/index.php?option=com_k2&view=item&id=7688:%E2%80%9Eneuk%C3%B6lln-ist-%C3%BCberall%E2%80%9C-%E2%80%93-einseitige-und-vereinfachende-aber-beachtenswerte-und-problemorientierte-beitr%C3%A4ge-zur-integrationsdebatte&Itemid=618

Dr. Klaus Paatzsch, Lehrer in Berlin-Moabit, im "Focus" (nur Printausgabe):
Auch bei den anschließenden ausgiebigen Rundgängen von Journalisten in Neukölln werden oft Menschen zitiert, die das Buch nicht gelesen haben, aber behaupten, dass der Bürgermeister provoziert und seine Zeit vergeudet, obwohl er doch eigentlich etwas für die Verbesserung der Schulsituation tun müsste. Halt, da ist doch jemand, die Schulleiterin einer Grundschule, die in der Berliner Zeitung aussprechen darf, dass sie Buschkowsky dankbar sei, denn er sage die Wahrheit. Darauf die Wertung durch den Interviewer: "Es gibt Menschen, die sich durch ihn vertreten fühlen." Ja, es gibt sie, und sie sind ungeduldig, und es sind bestimmt nicht wenige, ja, es sind sogar Migranten unter ihnen. Es sind all die, die sich nicht abgehoben auf die Schenkel klopfen ob ihrer Selbstgewissheit und sich nicht in diese unsäglich destruktive Politicial Correctness flüchten. [...] Entweder wird die öffentliche Debatte weiter von den Beschwichtigern und Abseitsstehenden oder endlich von den Deutlichwerdenden und Betroffenen bestimmt, von Lehrern, Polizisten, Sozialarbeitern, den Angestellten bei den Jobcentern und der Justiz. Ehe sie vielleicht noch in die Fäuste der Krawallmacher und Rechtsextremen fällt.
In: Focus Nr 41/12, S. 38.

Der stellvertretende Chefredakteur der "Saarbrücker Zeitung" Bernard Bernarding:
Solange Soziologen, Feuilletonisten und Multikulti-Freunde die bekannten Vorwürfe gegen bestimmte Zuwanderungsgruppen (Bildungsverweigerung, Missachtung des Rechtstaats, Patriarchalismus, Zwangsehen) negieren oder kleinreden, solange jede Kritik an den Zuständen mit dem Standard-Hinweis abgebügelt wird, hier spiele jemand „mit Ressentiments und Rassismen der Mehrheitsgesellschaft gegenüber muslimisch markierten Bevölkerungsgruppen“ (Arbeitskreis Integration in der SPD), wird sich daran nichts ändern. Buschkowsky hat absolut Recht, wenn er sagt: „Der größte Feind einer vernünftigen Integration ist die Ignoranz.“ Ein Rätsel, warum so viele Integrationspolitiker die Augen vor der Realität verschließen und somit eine Problemlösung verhindern. Was ist denn falsch an mehr Härte gegenüber Familienverbänden, die sich im Sozialsystem eingerichtet haben; gegen kriminelle Machos, die ganze Straßenzüge terrorisieren; gegen Fundamentalisten, die die Scharia über das Grundgesetz stellen? Die Angst der Deutschen vor der Diskriminierungsfalle ist offenbar groß.
http://www.saarbruecker-zeitung.de/aufmacher/leitartikel/Bernard-Bernarding-Saarbruecken-Sarrazin-Integration;art222429,4448896

Der Journalist Alexander Marionos im "General-Anzeiger" (Bonn):
Was heißt hier “rechtspopulistisch”? Es sind die immer selben, inzwischen müde machenden Reflexe, mit deren Hilfe wichtige Debatten beendet werden sollen, bevor sie überhaupt begonnen haben. Darum sei an dieser Stelle klar gesagt: Heinz Buschkowsky hat recht. [...] Wie krampfig sich die Politik dem Thema sonst nähert, zeigt ja schon die steigende Zahl verbotener Begriffe: “Ausländer” darf man nicht sagen, “ausländische Mitbürger” auch nicht, “Migranten” auch nicht; Menschen mit Migrationshintergrund – das geht schon eher, klingt aber nicht gut. Die meisten Türken von nebenan sind da klarer: “Wir sind Türken”, sagen sie, auch wenn sie hier geboren sind, und hängen bei der EM die türkische Fahne aus dem Fenster. Wer ist also schuld, wenn Integration so nicht gelingt? Die Deutschen? Wie sehr Buschkowsky Sozialdemokrat ist, zeigt sich, wenn er in bester SPD-Tradition das Heil in der Bildungspolitik sucht.
http://www.blogspan.net/presse/general-anzeiger-leitartikel-wohnen-im-kiez-das-neue-buch-des-neukollner-burgermeisters-heinz-buschkowsky/mitteilung/344737/

Der Journalist Jonas Gerding im "STERN":
Wer die 400 Seiten komplett durchliest, weiß: Buschkowsky ist nicht Sarrazin. Und schon gar kein Rassist. Sondern einer, der mit dem politischen Schatten der Integration ringt. Täglich.
http://www.stern.de/politik/deutschland/integrations-buch-neukoelln-ist-ueberall-buschkowsky-ist-nicht-sarrazin-1899751.html

Der Journalist Harry Nutt in der "Frankfurter Rundschau":
Es wäre viel gewonnen, wenn jetzt keine Debatte über den Lokalpolitiker Buschkowsky entsteht. Vielmehr sollte man seine Schilderungen auch andernorts zum Anlass nehmen, eine dichte Beschreibung der sozialen Wirklichkeit unserer Städte vorzunehmen. Dazu müssten Auf- und Einstiegsgeschichten von Menschen mit Migrationshintergrund ebenso gehören wie die von erfolgreichen Neustarts von einst abgeschriebenen Gegenden und ihren Bewohnern.
http://www.fr-online.de/politik/leitartikel-wir-muessen-buschkowsky-ernst-nehmen,1472596,18171124.html

Die Journalistin Regina Mönch in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung":
Heinz Buschkowsky ist ein Träumer, aber kein Phantast, die Hälfte dieser fast vierhundert Seiten sind kluge Analyse und Konzept, wie man ändern könnte, was andere lieber gar nicht erst sehen wollen. Er ist sich sicher, dass „wir den Knick im Tunnel, hinter dem das Licht ist“, erreichen können. Nicht alle halten an seiner Seite durch. Aber er findet immer wieder neue Helfer – Schüler, Lehrer, Richter, Polizisten, Journalisten –, weil in Neukölln nicht nur überbordende Straßengewalt zu besichtigen ist und eine sich offenbar immer von Neuem reproduzierende Bildungsabstinenz, sondern weil dort ein Klima der Offenheit herrscht, in dem Konflikte erkannt werden und man darüber streitet in einer Art, die von der Konsenskultur des politischen Mainstreams abweicht. Das regt die Phantasie an und erzeugt Hoffnung. Man wird in Deutschland wenig Vergleichbares finden.
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/buschkowskys-gesellschaftsanalyse-das-zuschauen-muss-ein-ende-haben-11896017.html

Der Journalist Harald Martenstein im "Tagesspiegel":
Die Rassismus-Vorwürfe gegen Heinz Buschkowsky und sein Buch kotzen mich an. Ich rede so drastisch, weil gerade die Erinnerung an diese Ohrfeigen in mir hochgestiegen ist. Klar, ein bisschen demütigend war das schon. Buschkowsky ist kein Sarrazin, man findet bei ihm kein rassistisches Wort. Er mag Menschen.
http://www.tagesspiegel.de/meinung/martenstein-ueber-buschkowskys-buch-wenn-ich-verpruegelt-werde-ist-das-kein-grosses-ding/7198554.html

Die Soziologin Necla Kelek in der "WELT":
Heinz Buschkowsky, weiß wovon er spricht. Er sagt, was ist – und das in einer Sprache, die die Menschen verstehen. Er geht dahin, wo es weh tut, und wenn nötig, gibt er den Volkstribun. Für mich ist er der letzte Sozialdemokrat seiner Art: ehrlich, authentisch und witzig. Ich gestehe, ich bin ein Fan des Bürgermeisters der Herzen. Ohne ihn würden viele Themen unseres Zusammenlebens unter den Teppich gekehrt.
http://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article109515326/Warum-Heinz-Buschkowsky-Recht-hat.html

Die Journalistin und Schriftstellerin Güner Balci beim "Deutschlandradio":
Auch der Bürgermeister in Mitte würde niemals so konkret und Tacheles sprechen wie Heinz Buschkowsky. Bei Heinz Buschkowsky kann man dankbar sein, dass der Mann einfach in politischer Hinsicht auch nichts mehr zu verlieren hat und deswegen auch die Wahrheit nicht scheut. Und er ist einer der einzigen, die ich kenne, der so offen und direkt und oft auch politisch unkorrekt die Wahrheiten anspricht, die da anzusprechen sind, weil sonst würde sich nie was verändern. [...] Ja, so jemand wie Cem Özdemir sollte sich mal persönlich fragen, warum er aus einem Haus auszieht, in dem ihm ein Moschee-Verein nicht gefällt, aber ansonsten nicht möchte, dass andere Menschen über solche Zustände sprechen und sich vielleicht auch darüber empören, dass sie irgendwelche Moschee-Vereine oder diverse andere Vereine mit Aktivitäten, die sich ihrer Kenntnis entziehen, in ihrer Gegend haben und sich einfach unsicher fühlen.
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/1876276/

Buschkowsky-Kritik: Es geht auch anders
20.10.2012 12:07:02

Buschkowsky-Kritik: Es geht auch anders
von Thomas Baader

Wir leben in Zeiten, in denen man es positiv hervorheben muss, wenn jemand in sachlicher Weise Kritik übt. Eigentlich sollte das eine Selbstverständlichkeit sein. Die Buschkowsky-Debatte hat aber eines gezeigt, nämlich dass die bisherige sogenannte "Kritik" vor allem gekennzeichnet war durch folgende Merkmale:

- Oftmals durch Äußerungen der Kritiker, dies es erkennen ließen oder zumindest wahrscheinlich erscheinen ließen, dass der Urheber der jeweiligen Äußerung das Buch nicht gelesen hatte.
- Persönliche, diffamierende Angriffe gegen den Autor des Buches.
- Die Weigerung, sich mit Inhalten und Befunden auseinanderzusetzen. In diesem Sinne wurde sich nicht argumentativ mit Buschkowsky befasst, sondern auf "Nebenkriegsschauplätze" ausgewichen.
- Empörung trat an die Stelle von Problemorientierung.

Es geht aber auch anders. Der Politikwissenschaftler Armin Pfahl-Traughber, Herausgeber des "Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung" und Mitglied des "Unabhängigen Expertenkreis Antisemitismus" des Deutschen Bundestages, hat bei "Endstation Rechts" einen kurzen kritischen Text zu Buschkowskys Buch "Neukölln ist überall" geschrieben, auf den die oben genannten Merkmale nicht zutreffen.

Pfahl-Traughber geht dabei auf (aus seiner Sicht) sowohl positive als auch negative Aspekte des Buches ein. So heißt es bei ihm unter anderem:

"Das sind eindeutige und harte Worte, die aber auch an eine Bringschuld der Migranten erinnern. Buschkowsky geht demgegenüber nicht mit gleicher Intensität auf die Defizite im Entgegenkommen der Mehrheitsgesellschaft ein. Gleichwohl betont er, dass es der etablierten Politik an Engagement und Problembewusstsein fehle: Man brauche 'einen intervenierenden Staat und eine empathische Gesellschaft ... und keinen beobachtenden Staat mit ignoranter Arroganz' (S. 10). Manches klingt bei Buschkowsky nach 'Sarrazin-light'. Doch ist dem so? In einem Kapitel berichtet er von einem Gespräch mit Sarrazin, worin er 'einen Großteil seiner Ableitungen' als 'falsch und daneben' (S. 118) bezeichnet. Buschkowsky sieht die geschilderten Probleme nicht auf der Basis von ethnischer Herkunft. Es ginge hauptsächlich um die Fähigkeit und den Willen, 'sich an die herrschenden Lebensregeln anzupassen' (S. 198). Der Autor ist somit ein einseitiger und vereinfachender, aber ein durchaus beachtenswerter und problemorientierter Akteur in der Debatte um 'Integration'."
http://endstation-rechts.de/index.php?option=com_k2&view=item&id=7688:%E2%80%9Eneuk%C3%B6lln-ist-%C3%BCberall%E2%80%9C-%E2%80%93-einseitige-und-vereinfachende-aber-beachtenswerte-und-problemorientierte-beitr%C3%A4ge-zur-integrationsdebatte&Itemid=618

Ich teile einige wesentliche Schlüsse, zu denen Pfahl-Traughber kommt, nicht. Aber seine Analyse verzichtet auf jegliche Diffamierung und verdient es daher, ernstgenommen zu werden. Andere Kritiker hingegen müssen sich diese Kompetenz zur sachlichen und inhaltsbezogenen Auseinandersetzung erst noch aneignen.

An Pfahl-Traughbers Text ist allerdings durchaus kritisierenswert, dass er recht kurz gehalten ist und daher auch darauf verzichtet, einige seiner Behauptungen ausführlich zu belegen. Die Kritik an Buschkowsky fällt hier und da etwas pauschal aus, ohne aber unfair zu werden. Der Vorwurf der Einseitigkeit verfängt nicht, weil Buschkowskys Ansatz eben darin besteht, die Rolle der betroffenen Migranten selbst zu thematisieren im Sinne einer Frage nach menschlicher Eigenverantwortung.

Aber diese unterschiedlichen Sichtweisen auf Buschkowskys Buch sind legitim und könnten Grundlage einer erkenntnisgeleiteten Debatte sein. Mit den Kritikern der oben genannten Art ist eine solche Debatte nicht möglich.

The Big Buschkowsky unter der Lupe
24.09.2012 15:29:23

The Big Buschkowsky unter der Lupe
von Thomas Baader

WELT Online hat Politiker und andere interessante Menschen nach ihrer Meinung zum neuen Buschkowsky-Buch gefragt.

Die Äußerungen der Damen und Herren lesen Sie am besten hier im Original...

http://www.welt.de/politik/deutschland/article109403990/Buschkowsky-polarisiert-Ist-Neukoelln-ueberall.html

... und von mir bekommen Sie nun auch noch den Senf dazu. Eine kurze Betrachtung der jeweiligen Positionen:

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) gesteht Buschkowsky zu, die richtigen Fragen zu stellen, aber bei den Antworten einen "zu großen Pinsel" zu benutzen. Auf eine Konkretisierung dieser Aussage wartet man vergeblich, dafür gibt es ein wenig FDP-Wahlwerbung. Im Endeffekt ein eher nichtssagender Beitrag.

Familienministerin Kristina Schröder (CDU) nutzt die Gelegenheit für eine vergnügliche Anekdote: In eine Kita, deren Hauptziel es ist, türkischstämmige Kinder an die deutsche Sprache heranzuführen, bringt ein türkischer Staatsgast als Geschenk Kinderbücher mit - in türkischer Sprache. Auch bei Schröder kommt die Werbung in eigener Sache nicht zu kurz, aber mit ihrer Betonung der Selbstverantwortung der Betroffenen liegt sie richtig.

Reichlich wirr der Beitrag von Cem Özdemir (GRÜNE): Ein bisschen Verschwörungstheorie (Ali, Ayse und Kevin sollen vom Gymnasium ferngehalten werden), etwas Moralisiererei (Buschkowsky benutzt die Sprache des Boulevards), ein klein wenig Multikulti-Verteidigung und unbewiesene Vorwürfe gegen Buschkowsky, denn der hätte ja in seiner Amtszeit mehr tun können. Kurz noch die Erwähnung von Sarrazin, fertig ist die grüne Schlaftablette. Wem jetzt noch nicht die Augenlider schwer geworden sind, ist selber schuld. Und ach ja: Buschkowsky schreibt in seinem Buch über Migranten, die sich subjektiv benachteiligt fühlen, Özdemir setzt das "subjektiv" sofort in Anführungzeichen - obgleich es natürlich im Grunde nicht möglich ist, sich objektiv benachteiligt zu fühlen. Und am Ende tönt Cem mit erhobenem Zeigefinger wörtlich: "Wer mit dem Zeigefinger auf andere zeigt..."

Und dann Christine Haderthauer (CSU), bayerische Sozialministerin, und ihre Abrechnung mit Rot-Grün: Durchaus kampflustig und polemisch, allerdings ist die bessere bayerische Integrationsbilanz, die sie anführt, durch Fakten abgesichert. Der Beitrag enhält daher trotz seines Wahlkampftonfalls viel Richtiges, aber zu wenig zu Buschkowskys Buch.

Uwe Schünemann (CDU), der niedersächsische Innenminister, weiß am meisten zu überzeugen. Keine explizite Wahlwerbung, die eigenen Positionen klar und deutlich. Inhaltlich und formal angenehm zu lesen.

Heinrich Alt, Bundesvorstandmitglied der Agentur für Arbeit, hat Neukölln eigentlich positiv in Erinnerung. Der Grund: Er hat irgendwann mal dort eine Schule besucht, und im Sportunterricht haben Deutsche, Araber und Russen ganz toll zusammen rumgeturnt. Die Welt ist gerettet! Und wir lernen außerdem, dass Kritik verunsichern kann und Beifall von der falschen Seite falsch ist.

Thilo Sarrazin (SPD) weiß: Ist alles richtig, aber noch schlimmer. Insgesamt zeigt sich Sarrazin weniger optimistisch als Buschkowsky, was die Lösung der Probleme angeht.

Am Ende noch persönliche Eindrücke von WELT-Redakteurin Andrea Seibel. Tenor: Viele Probleme, aber auch Hoffnung.

20 Dinge, die ich aus der letzten Sendung von "Maischberger" gelernt habe
16.08.2012 18:00:46

20 Dinge, die ich aus der letzten Sendung von "Maischberger" gelernt habe
von N. Lightenment (P)

1. Beschneidung ist eine Jahrtausende alte Tradition.

2. Wenn christliche Frauen an den Penissen ihrer unbeschnittenen Männer herumschnuppern (was sie sehr häufig tun), dann riechen sie Urin.

3. Beschneidung ist eine Jahrtausende alte Tradition.

4. Ein Beschneidungsverbot für Jungen ist sinnlos, denn die Eltern können ja die Söhne einfach im Ausland beschneiden lassen. Ein Beschneidungsverbot für Mädchen hingegen ist sehr sinnvoll, denn es darf vermutet werden, dass es für Eltern physisch absolut unmöglich ist, ihre Töchter ins Ausland zu bringen und dort beschneiden zu lassen. Bei Jungen hingegen würde dieser Beschneidungstourismus aus irgendeinem Grund problemlos funktionieren.

5. Beschneidung ist eine Jahrtausende alte Tradition.

6. Der Unterschied zwischen "Vergleich" und "Gleichsetzung" ist nicht jedem geläufig.

7. Beschneidung ist eine Jahrtausende alte Tradition.

8. Muslime lieben Juden in Ausnahmesituationen. Sobald es aber eine klare gesetzliche Regelung für die Beschneidung gibt, ist die Ausnahme wieder vorbei.

9. Beschneidung ist eine Jahrtausende alte Tradition.

10. Man soll die Beschneidung von Jungen lieber ganz früh durchführen, weil es dann nicht so schmerzvoll ist, obwohl eine Beschneidung, die zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt wird, selbstverständlich auch nicht schmerzvoller ist.

11. Beschneidung ist eine Jahrtausende alte Tradition.

12. Die Natur hat uns mit Haaren, Fingernägeln und (im Falle von Männern) Vorhäuten ausgestattet. All das kann man aber auch einfach abschneiden. Denn bekanntermaßen wachsen Haare, Fingernägel und Vorhäute auch wieder nach, weswegen es sich ja auch um so einen ungemein gelungenen Vergleich handelt.

13. Beschneidung ist eine Jahrtausende alte Tradition.

14. Schneiden wir die Vorhaut weg, kann da auch nichts mehr verdrecken. Und lassen wir uns die Haardrüsen operativ entfernen, sind wir auch vor Kopfläusen sicher.

15. Beschneidung ist eine Jahrtausende alte Tradition.

16. Sozialdemokratische Ministerinnen freuen sich ein Loch in den Bauch, wenn Ärzte im Hinblick auf den Hippokratischen Eid "auch mal ein Auge zudrücken".

17. Beschneidung ist eine Jahrtausende alte Tradition.

18. Gesetze aus dem Jahre 1921 sind zwangsläufig auch heute noch gut, Reformen sind prinzipiell überflüssig.

19. Beschneidung ist eine Jahrtausende alte Tradition.

20. Hätte die eine Seite die ganze Sendezeit hindurch einfach immer nur gesagt "Beschneidung ist nichts Schlimmes" und die andere Seite "Doch", wäre der Erkenntniswert der Sendung nur marginal geringer gewesen.

Wem die Maischberger-Sendung trotz dieser erhellenden Einsichten nicht informativ genug war, dem seien zur weiteren allgemeinen Bildung folgende Links empfohlen:

Ein Beschneidungsverbot »wäre dem Versuch einer neuerlichen Schoa, einer Vernichtung des jüdischen Volkes gleichzusetzen – nur diesmal mit geistigen Mitteln«, erklärt er in einem Interview mit der in Graz erscheinenden Kleinen Zeitung. [...] Mehr als die peinlichen Aussagen einiger österreichischer Politiker (von denen nichts anderes zu erwarten war) ärgert mich Muzikants Schoa-Vergleich. Von der dreisten Anmaßung, die Opfer der Massenvernichtung für dieses Sommerlochthema zu instrumentalisieren, abgesehen, negiert Muzikant offenbar die Unterschiede zwischen Glaube und Volk, Herkunft und Identität, Tradition und Geist. Mir selbst käme es lächerlich vor, mein Jude-Sein vom Aussehen beziehungsweise dem »Status« meines Geschlechtsteils abhängig zu machen. Viele Juden, besonders jene, die wie ich aus der ehemaligen Sowjetunion stammen, definieren ihr Judentum als Zugehörigkeit zu einer Kultur- und Schicksalsgemeinschaft. Und sogar nach streng religiöser Vorstellung wird man nicht durch die Einhaltung der Mizwot, zu denen auch die Beschneidung gehört, sondern in erster Linie durch die jüdische Herkunft der Mutter zu einem Juden. Auch die Vorhaut ist demnach jüdisch. [...] Es gibt gläubige und ungläubige, beschnittene und unbeschnittene Juden, doch wer als Jude geboren wird, bleibt es auch. Das ist genauso wenig ein moderner Ansatz wie die Vorstellung, die Entfernung eines Hautlappens sei für ein Volk überlebenswichtig. Vielleicht trägt die derzeitige »Debatte« dazu bei, sich wieder einmal ernsthafte Gedanken zum Thema Identität im 21. Jahrhundert zu machen.
http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/13726

Die linke israelsolidarische Szene streitet um ein kleines Hautfältchen. Zu Recht, denn es geht dabei um zwei wichtige Themen: Kulturrelativismus und Antisemi­tismus. Die anderen Aspekte der Debatte kann man hingegen vergessen.
von Ivo Bozic
http://jungle-world.com/artikel/2012/33/46064.html

Feindbild Westen
12.02.2012 12:47:18

Feindbild Westen
Rezension
von Thomas Baader

Mit Jürgen Todenhöfers „Feindbild Islam – zehn Thesen gegen den Hass“ geht die seit Jahren geführte Debatte um das Verhältnis der westlichen zur islamischen Welt in eine neue Runde. Das 64seitige Buch hat viel Beifall erhalten, so beispielsweise auch in Form einer überraschend unkritischen Rezension auf der Website des Humanistischen Pressedienstes. Dabei hält vieles, was Todenhöfer schreibt, einer genaueren Überprüfung nicht stand. Es verwundert, dass vielen Rezensenten die zahlreichen Sachfehler der kurzen Schrift offensichtlich entgangen sind. Ich spreche hierbei nicht von Dingen, über die man durchaus unterschiedliche Ansichten haben darf, sondern ich rede von Dingen, die faktisch und überprüfbar einfach Falschaussagen darstellen. Der antiwestlichen Einstellung des Autors mag man kritisch gegenüberstehen oder eben auch nicht, die sich ständig wiederholenden Fehlinformationen hingegen sind einfach nur ärgerlich und diskreditieren die Schrift als ganzes.

Bei seinem Versuch, negative Klischees zu widerlegen, schafft Jürgen Todenhöfer positive Klischees. In paternalistisch-wohlmeinendem Tonfall werden Muslime immer wieder pauschal mit den Attributen „gastfreundlich“, „herzlich“ und „liebenswert“ belegt. Die Wirklichkeit dürfte dann wohl doch etwas differenzierter sein. Todenhöfer möchte offenbar Zerrbildern nicht etwa die Wahrheit, sondern andere Zerrbilder entgegenhalten.

Todenhöfers erste These lautet, der Westen sei viel gewalttätiger als die muslimische Welt. Die These wird durch eine Aufzählung diverser Gewalttaten des Westens, begangen zu verschiedenen Zeiten und von verschiedenen Akteuren, untermauert. Zwar belegt Todenhöfer seine Aussagen nicht sehr oft mit Quellenangaben, dennoch gibt es keinen Grund, die von ihm an dieser Stelle genannten Verbrechen anzuzweifeln (wenn man von einem sehr unkritischen Umgang mit den umstrittenen Ergebnissen der Lancet-Studie über die Anzahl der im Irak getöteten Menschen einmal absieht). Es ist daher auch nicht die Position Todenhöfers, dass der Westen in seiner Geschichte oft gewalttätig aufgetreten sei, die den informierten Leser befremdet, es ist vielmehr seine Verharmlosung und Relativierung der nichtwestlichen Gewalt. „Nicht ein einziges Mal in den letzten zweihundert Jahren hat ein muslimisches Land ein westliches Land angegriffen“, schreibt Todenhöfer. Nun hängt der Wahrheitsgehalt dieser Aussage davon ab, was man als „westliches Land“ alles gelten lässt. Zählt man auch Israel als westliches Land (was man normalerweise tut), so ist Todenhöfers Behauptung angesichts der zahlreichen Angriffe der arabischen Nachbarländer eindeutig falsch. Und es sollte auch daran erinnert werden, dass dem Eintritt des Osmanischen Reiches in den Ersten Weltkrieg ein türkischer Angriff auf russische Schwarzmeerhäfen (ohne Kriegserklärung) vorausging. Letztlich aber sind Todenhöfers „zweihundert Jahre“ natürlich auch eine Zeitspanne, in denen der Westen militärisch und machtpolitisch stark, die islamische Welt hingegen ohnmächtig war. Es wäre also an dieser Stelle daher eher auf das Unvermögen und nicht auf den Unwillen zur Aggression zu verweisen. Blickt man hingegen auf eine Epoche, in der Orient und Okzident einander auf Augenhöhe begegnen konnten (oder die islamische Welt gar militärische Überlegenheit genoss), dann erscheinen die Unterschiede im Hinblick auf aggressiv-expansives Verhalten sehr gering.

Es ist diese selektive Wahrnehmung Todenhöfers, die sich durch seine ganze Schrift zieht. Was in sein Weltbild passt, führt er als Beleg an, was nicht passt, lässt er weg. Er thematisiert die Kolonialpolitik des Westens, aber keineswegs die ebenfalls brutale Kolonialisierung Ostafrikas durch die Araber, die nur aufgrund der Unzulänglichkeit der Mittel keinen noch größeren Umfang angenommen hat. Auch gewinnt man den Eindruck, dass ihm das Ausmaß des arabischen Sklavenhandels unbekannt zu sein scheint. Dieser bewegte sich in ähnlichen Dimensionen wie der der westlichen Welt, wenn auch über einen deutlich längeren Zeitraum hinweg. Kolonialpolitik ist sicherlich verdammenswert, aber das Verdammen möge bitte doch mit korrekten und seriösen Argumenten geschehen: Die Alphabetisierungsquote Algeriens, die laut Todenhöfer vor der Kolonialisierung 40% betragen haben soll und danach nur noch 20%, ist ein Einzelbeispiel, dem natürlich bei anderen kolonialisierten Ländern eine gegenteilige Entwicklung gegenübersteht, die Todenhöfer – wieder einmal – verschweigt. Die Kolonialzeit war oft blutig, aber ein von Todenhöfer suggeriertes Goldenes Zeitalter der arabischen Welt hatte es zuvor eben auch nicht gegeben. Die einheimischen Unterdrücker und Ausbeuter waren im Zuge der Kolonialisierung lediglich durch fremde Unterdrücker und Ausbeuter ausgetauscht worden, die manchmal brutaler, manchmal aber auch ein wenig menschlicher auftraten als ihre Vorgänger.

Kein Satz jedoch bringt die realitätsfernen Vorstellungen des Autors deutlicher zur Geltung als dieser hier: „Anders als bei uns gibt es in der muslimischen Welt das Phänomen ‚Fremdenfeindlichkeit’ überhaupt nicht.“ Ist Jürgen Todenhöfer, diesem „Kenner der arabischen Welt“, etwa wirklich der offene Rassismus, der beispielsweise indischen Gastarbeitern in den Vereinigten Arabischen Emiraten entgegenschlägt und von dem immer wieder bericht wird, völlig unbekannt? Weiß er nichts von dem Progrom an der jüdischen Bevölkerung Bagdads im Jahr 1941? Hat er noch nie etwas von den türkischen Massakern an den Armeniern in den 1890ern und während des Ersten Weltkrieges gehört? Hat er keine Kenntnis davon, dass nicht wenige muslimische Familien erhebliche Vorbehalte gegen einen „fremden“ Schwiegersohn haben? Dass in den entlegenen Gebieten der islamischen Welt bereits der Angehörige eines anderen Stammes als „Fremder“ gilt (obwohl sprachlich und kulturell eng verwandt), zu dem man deutliche Distanz wahrt? Bekanntlich gibt es rechtsextreme türkische Organisationen und Parteien. Wogegen wenden die sich wohl, wenn nicht gegen Fremde? Die gesamte muslimische Welt ist voller ethnischer und religiöser Konflikte. Die Rechte von Minderheiten sind stark eingeschränkt. Neun der zehn Länder, in denen Christen der größten Verfolgung ausgesetzt sind, sind islamische Länder. Auch was die Verbreitung des Antisemitismus angeht, sind die islamischen Länder Spitzenreiter. Ich wiederhole: An keiner anderen Stelle wird die selektive Wahrnehmung Todenhöfers deutlicher als an dieser.

Phasen der Toleranz im Islam, die es natürlich gegeben hat, werden den blutigsten Kapiteln der christlichen Geschichte gegenübergestellt. Das würde natürlich andersherum genauso funktionieren. Das Christentum sieht sicherlich schlecht aus, wenn man die Kreuzzüge und spanischen Judenvertreibungen mit den Taten Saladins und dem maurischen Andalusien vergleicht, wie Todenhöfer das tut. Die Eroberungskriege des Islam hingegen, die andersgläubige Gebiete unter seine Herrschaft brachten (noch zum Zeitpunkt des ersten Kreuzzuges war die Bevölkerung Ägyptens und Syriens mehrheitlich christlich) und die zahlreich historisch belegten Benachteiligungen von Christen und Juden hätten, als Beispiele herangezogen, eine ganz andere Art von Vergleich erlaubt. Wieder einmal schaltet Todenhöfer seine Fähigkeit zum kritisch-analytischen Denken bewusst aus, wenn er sich seinem Lieblingsthema zuwendet.

Vollends ins Unseriöse gleitet das Buch schließlich ab, als Todenhöfer sich der systematischen Verharmlosung von Diktaturen widmet. Die Anzahl von Synagogen und Kirchen im Iran dient ihm als Beleg dafür, dass die Lage der Juden und Christen dort so schlimm wohl nicht sein könne. Dabei hätte das deutsche Kaiserreich ihm als Beispiel dafür dienen können, dass die bloße Anzahl von Synagogen noch keine Aussage darüber zulässt, wie weit verbreitet Antisemitismus in Gesellschaft und staatlichen Organen ist. Todenhöfer schwärmt von der Existenz jüdischer Kindergärten und Schulen im Iran, weiß aber offenbar nicht, dass die letzte jüdische Zeitung in diesem Land in den 90er Jahren verboten wurde. Auch scheint ihn Präsident Ahmadinedschads Holocaustleugnerkonferenz aus dem Jahr 2006, an der Islamisten und Rechtsextremisten aus 30 Staaten teilnahmen (Horst Mahlers Beteiligung wurde durch die deutschen Behörden verhindert), nicht weiter zu stören. Ahmadinedschad selbst wird zwar von Todenhöfer negativ beurteilt, jedoch auch verharmlost: „Doch dieser politische Antizionismus ist nicht gleichbedeutend mit Judenhass und Antisemitismus.“ Was Antisemitismus ist, bestimmt Todenhöfer. Und er glaubt auch zu wissen: „Die Behandlung der Palästinenser entspricht nicht der sittlichen Größe und Einzigartigkeit des jüdischen Volkes“.

Auch den Christen geht es, wenn man Todenhöfer Glauben schenkt, im Iran doch eigentlich recht gut. In seiner wissenschaftlichen Schrift „Der islamistische Totalitarismus“ (herausgegeben von der European Foundation of Democracy) entwirft der Politologe Wahied Wahdat-Hagh ein gänzlich anderes Bild von der Situation religiöser Minderheiten im Iran: Er berichtet von durch Religionswächter organisierten Bibelverbrennungen (die Bibel darf im Iran nicht veröffentlicht werden) und der Verhaftung von Menschen, die zum Christentum übergetreten sind. Es existiert ein Verbot für Predigten in persischer Sprache. Den Bahai wird im Iran systematisch der Zugang zur Bildung verwehrt. Auf die Situation der Frauen, die Todenhöfer ebenfalls schönredet, möchte ich an dieser Stelle gar nicht erst eingehen – die Beispiele, mit denen man Todenhöfers Relativierungen widerlegen kann, würden Seiten füllen.

Besonders peinlich: Auch Todenhöfer gesteht ein, dass Juden und Christen als „Schutzbefohlene“ im Iran weniger Rechte haben als Muslime, relativiert dies aber sofort mit dem Hinweis, dass Muslime in Europa und Israel auch zu den Benachteiligten gehören. Die Wahrheit, die Todenhöfer nicht sehen will: In der westlichen Welt genießen Muslime volle Religionsfreiheit, können ohne Schwierigkeiten Gotteshäuser errichten und ihren Glauben leben. Nichts davon ist wahr im Hinblick auf religiöse Minderheiten im Iran.
 
Der Autor operiert durchweg mit diesen falschen Behauptungen und arbeitet bei dem Versuch, ein Feindbild zu beseitigen, an neuen Feindbildern. Todenhöfers Buch ist das Buch eines Mannes, der sich oft irrt. Im Februar 2011 sprach er in der Sendung „Maybrit Illner“ davon, die ägyptischen Muslimbrüder würden bei den nächsten Wahlen maximal 20% erhalten. Der Schriftsteller Rafik Schami warf Todenhöfer in einem Interview in der NZZ im Juni 2011 vor, sich vom syrischen Geheimdienst manipulieren und zu Propagandazwecken einspannen zu lassen. So habe Todenhöfer in seinem Syrienbericht noch nicht einmal erwähnt, dass am Tage seines Aufenthaltes in Daraa auf Demonstranten geschossen wurde. Todenhöfer verweist in seinen Büchern immer wieder darauf, wie oft er die islamische Welt bereist habe. Aber offenbar sieht er dort nur das, was er sehen will.

Letztlich ist der Westen bei Todenhöfer an allem schuld: am Terrorismus, am Wahlsieg Ahmadineschads, am Wiedererstarken der Taliban und der Hamas. Man gewinnt den Eindruck, dass im Weltbild des Autors Muslime nur als unmündige Kinder vorkommen, die für nichts Verantwortung tragen, während die vermeintlichen (westlichen) Eltern für alles zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Hier ist dem Autor der Vorwurf zu machen, dass er es selbst ist, der mit einer gewissen Geringschätzigkeit und Überheblichkeit auf die islamische Welt blickt – freilich ohne sich dessen bewusst zu sein. „Die Juden“ charakterisiert er hingegen auf Seite 54 als „stark und einflussreich“ – auch eine interessante Pauschalisierung.

Auf Seite 4 schreibt Jürgen Todenhöfer: „Nichts macht uns so verwundbar wie unsere Ignoranz.“ Wie wahr.

Diese Rezension erschien auch bei "Amazon" als Kundenrezension. Wenn Sie dem Link folgen, können Sie dort die Rezension bewerten, falls Sie ein Kundenkonto bei "Amazon" haben:
http://www.amazon.de/review/R27OFWGZVPPXX/ref=cm_cr_rdp_perm

Außerdem erschien diese Rezension auch am 13. Februar 2012 auf dem Blog "CDU-Politik.de" und am 5. April 2012 auf der Website des "Hintergrund"-Verlages:
http://www.cdu-politik.de/www/cdupolitik/wordpress314/2012/02/13/feindbild-westen/
http://www.hintergrund-verlag.de/texte-rezensionen-juergen-todenhoefer-feindbild-islam-zehn-thesen-gegen-den-hass.html

Sarrazin kritisiert Wowereit-Buch
23.10.2011 13:19:52

Lesehinweis

Man merkt: Klaus Wowereit liebt seine Stadt, und das ziert einen Regierenden Bürgermeister. Zu Recht betont Wowereit auch die gewaltige Integrationsleistung, die Berlin in seiner Geschichte erbracht hat.
[...]
So weit das Positive. Schwerer wirken die Defizite. [...] Die fehlende Rampe für den Rollstuhlfahrer am S-Bahn-Eingang wird damit gleichgesetzt mit der Straßenkriminalität von Roma aus Bulgarien. Beides ist eben ein Integrationsproblem. Das ist, mit Verlaub, großer Kitsch. Wer alles in einen Topf wirft, vernebelt die Probleme und redet der Verharmlosung das Wort.
[...]
Wowereits historische Kenntnisse sind bestenfalls schütter, und das tut dem Buch nicht gut: Blühender Unsinn ist der Satz "Ohne Migration wären moderne Gesellschaften gar nicht vorstellbar" (S. 67): Die europäischen Länder hatten im 19. Jahrhundert, als sie zu Industriemächten heranreiften, keine wesentliche Einwanderung, Deutschland war ein Auswanderungsland. Japans Aufstieg zur Industriemacht war nie von Einwanderung begleitet, dasselbe gilt für das heutige China. Regionale Bewegungen gab es natürlich immer.
[...]
Den Gipfelpunkt seiner historischen Quacksalberei setzt Wowereit mit dem einzigen Satz seines Buches, der sich mit dem Islam auseinandersetzt: "Ja, es gibt extremistische Tendenzen bei Religionen, im Islam ebenso wie bei Protestanten und Katholiken." (S. 158) Wie viele Attentate von Katholiken gab es denn bisher unter der Amtszeit von Papst Benedikt? Und welche extremistischen Tendenzen hat Klaus Wowereit in der Evangelischen Kirche Deutschlands unter dem braven Präses Schneider entdeckt? So schreibt einer, der sich drückt, indem er die Augen fest verschließt. Der Einwanderungsdiskussion, wie sie Klaus Wowereit führt, fehlt schlicht das geistige Niveau. Damit bin ich beim Kerndefizit seiner Betrachtungsweise: Er blendet aus, dass es gruppenbezogene Unterschiede gibt, die der Erklärung bedürfen: Italiener, Spanier, Griechen, Kroaten, ostdeutsche Vietnamesen, die zusammen in weitaus größerer Zahl angeworben worden waren als Türken und Marokkaner, haben heute, soweit sie noch in Deutschland leben, keine nennenswerten Integrationsprobleme. Das gilt ebenso für Russen, Ukrainer und Polen. Die Probleme konzentrieren sich ausschließlich auf Migranten aus der Türkei, dem arabischen Raum sowie auf Sinti und Roma.
[...]
Die regionale Struktur unserer Zuwanderung senkt die durchschnittliche Bildungsleistung in Deutschland. Die USA, Kanada und Australien haben dieses Problem nicht. Dort kommt die Zuwanderung vor allem aus Ostasien. Die Kinder dieser Einwanderer erbringen von Anfang an durchweg bessere Schulleistungen als die einheimische weiße Bevölkerung. Damit steigert Zuwanderung dort die durchschnittliche Bildungsleistung. Die niedrige Bildungsleistung bestimmter Einwanderungsgruppen in Europa ist eben nicht allein ein Sprachproblem, die Ursachen sind offenbar tief in der Herkunftskultur verankert. Auch dies ist ein Aspekt von "Multikulti".

http://www.welt.de/print/wams/vermischtes/article13675864/Das-ist-mit-Verlaub-grosser-Kitsch.html

Sarrazin und Todenhöfer bei „Markus Lanz“
08.09.2011 07:45:16
Sarrazin und Todenhöfer bei „Markus Lanz“
Fernsehkritik
von N. Lightenment (P)
 
In der gestrigen Ausgabe von „Markus Lanz“ traf Thilo Sarrazin auf Jürgen Todenhöfer. Für den Zuschauer ergaben sich einige bemerkenswerte Erkenntnisse.
 
So erfuhren wir z. B., das die Zusammenstellung der Gäste in jener berüchtigten Beckmann-Sendung gleich nach Erscheinen des Buches „Deutschland schafft sich ab“ vom Moderator und seiner Redaktion kurzfristig geändert wurde, sodass überhaupt erst die berühmte „Sieben gegen einen“-Konstellation entstehen konnte. Sarrazin sei einigermaßen wütend gewesen und habe daran gedacht, in der Sendung gar nicht erst aufzutreten, habe dann aber erkannt, dass das Sichhineinbegeben in eine eindeutig unfaire Situation möglicherweise günstiger sei als der feige Rückzug.
 
Anstrengend wurde es, als Jürgen Todenhöfer es darauf anlegte, dem Sarrazin eine minutenlange Moralpredigt zu halten. Todenhöfer selbst hat übrigens ein Buch geschrieben, in dem er die These vertritt, Al Kaida sei nur die gewalttätige Antwort einer muslmischen Minderheit auf das gewalttätige Verhalten einer westlichen Mehrheit. So war dann auch recht schnell George W. Bush als der wahre Terrorist ausgemacht. Ansonsten empörte sich Todenhöfer in einem nicht enden wollenden Vortrag über das „rassistische Buch“, nachdem er zuvor erst angekündigt hatte, er wolle nun nicht auf Sarrazin eintreten, weil das ja schon so viele getan hätten.
 
Ein Punkt, den Todenhöfer dabei deutlich herausstellte, war Sarrazins Vorschlag, wonach deutsche Akademikerinnen mit einer Art Gebärprämie zu fördern seien – eindeutig rassistisch nach Todenhöfer. Der gescholtene Sarrazin verwies darauf, dass Derartiges in seinem Buch gar nicht stehe, sondern dass es darum gehe, Akademikerinnen – im übrigen keinen deutschen, sondern allen – einen Betrag, der ihnen als Kindergeld ohnehin zustehen würde, einfach früher zukommen zu lassen.
 
Ein Zueinander gab es erwartungsgemäß nicht. Sarrazin war verschnupft und Todenhöfer spielte den Rest der Sendung noch das Lied vom bösen Westen, wobei er es schaffte, gleichzeitig die Befreiung des libyschen Volkes ganz toll und die dafür notwendige militärische Intervention falsch zu finden.
 
Plötzlich war die Sendezeit rum, Markus Lanz erklärte die Sendung recht abrupt für beendet. Der Zuschauer war dankbar.
Kommentar zur Podiumsdiskussion mit Bahners und Ates
07.08.2011 00:01:14

Kritik einer Podiumsdiskussion
von N. Lightenment (P)

Die von MRF von einigen Stunden verlinkte Podiumsdiskussion mit Patrick Bahners und Seyran Ates (http://www.lisa.gerda-henkel-stiftung.de/content.php?nav_id=1707) erwies sich beim Anschauen als eher dröge. Auf die wenigen Erkenntnisse, die man aus ihr ziehen kann, soll hier kurz eingegangen werden.

Jörg Lau als Moderator zu ertragen rangiert irgendwo zwischen dem Ertragen von Reinhold Beckmann und Johannes B. Kerner. Lustig wird es zumindest, als er die Vorstellung von Patrick Bahners nutzt, um einiges zu dessen Buch „Die Panikmacher“ zu sagen. Moderator Lau wörtlich:

„Um Ihnen einen Eindruck davon zu vermitteln, was man auslöst, wenn man so ein streitbares Buch schreibt, möchte ich kurz aus den Rezensionen zitieren, die erschienen sind, teilweise sehr, sehr wütend… da heißt es zum Beispiel, dieses Buch sei eine Art ‚islamistische Scholastik in notdürftig kaschiertem  westlich-bildungsbürgertümelndem Gewand’… also… ‚ein furchtbarer Journalist hat ein furchtbares Buch geschrieben’ usw… also manche Sachen werde ich lieber nicht zitieren, die sind ein bisschen sehr persönlich. Aber die sind in Zeitungen erschienen, die man eigentlich nicht für vollkommen unmöglich hält. In einer anderen Rezension heißt es, das sei das ‚Kamikazeunternehmen eines Intellektuellen, der keine Angst zu haben für eine Tugend hält’. Henryk Broder hat das geschrieben. Man hat ihm dann vorgeworfen, er würde Sie in eine Reihe stellen mit totalitären Denkern des Kommunismus, des Faschismus und ich weiß nicht was. Unfassliche Vorwürfe…“

Während Lau uns also zu verstehen geben will, dass Bahners keineswegs ein furchtbarer Journalist sei, der furchtbare Bücher schreibt, offenbart er uns gleichzeitig, dass er (Lau) ein furchtbarer Journalist ist, der sich nun als furchtbarer Diskussionsleiter versucht. Nachdem Lau es genossen hat, sechs Minuten lang (gefühlt: sechs Stunden) sich selbst reden zu hören, darf auch endlich einer seiner beiden Gäste zu Wort kommen.

Etwas später kriegt Lau noch mal einen zweiten Laber-Flash und beschwert sich über böse Leserbriefe, die er bekommt. Bahners hätte jetzt natürlich darauf erwidern können „beim besonders groben Klotz ist der passgenaue grobe Keil eine Zeichen von feinem Humor“ (das schreibt Bahners nämlich in seinem Buch), verzichtet aber wohl darauf, weil der Moderator Lau und nicht Sarrazin heißt.

Schließlich kommt Lau selbst der Gedanke, dass er seine Rolle in der Podiumsdiskussion missverstanden haben könnte: „Entschuldigung… ich bin ja eigentlich nur der Moderator… fällt mir gerade auf…“

Der Rest des Gesprächs ist schnell zusammengefasst: Seyran Ates nimmt Necla Kelek übel, dass sie Partei für Sarrazin ergriffen hat. Auch Bahners’ Buch findet sie „nicht gut“, schafft es aber im Verlauf der Debatte nicht, ihre einzelnen Kritikpunkte deutlich herauszustellen.

Beim Gespräch mit dem Publikum wird es leicht gruselig. Ein älterer Rechtshistoriker hält einen äußerst langweiligen Monolog, der noch dazu mehr Falsches als Richtiges enthält. Ja, natürlich gab es in der christlich-abendländischen Vergangenheit ebenfalls keine Gleichberechtigung der Geschlechter, das ist ja durchaus richtig – aber, so hätte man dem Herrn entgegnen müssen, ist dies doch viel eher ein Argument für und nicht gegen Islamkritik (denn warum sollte man das endlich auf diesem Gebiet Erreichte jetzt dem konservativen Islam zuliebe wieder über Bord werfen?). Dann kommt der unvermeidliche schiefe Vergleich und noch dazu mit falscher Begründung: „Die Juden waren ja dann irgendwann im 19. Jahrhundert deutsche Juden, integriert – so wie wir auch die moslemischen Deutschen inzwischen integriert hatten, die Diskussionen gab es ja gar nicht…“ Doch, die Probleme gab es sehr wohl vor dem 11. September – wir haben uns lediglich nicht dafür interessiert. Die moslemischen Deutschen waren keineswegs zuvor alle „inzwischen integriert“ gewesen.

Es kommt ein Doktorand zu Wort, der vielleicht besser geschwiegen hätte. Wörtlich: „Frau Ates, was Sie da auch sagen, mit dem Kampf für die Gleichberechtigung der Frau im Islamismus (!), dass das teilweise aber auch in Deutschland wiederum Stereotype befeuert. Also dass wir… Sie führen diese Diskussion ja dann auch in Deutschland! Und ich glaube das… wenn dann gelesen wird, Sie kämpfen für die Gleichberechtigung der Frau im Islamismus, äh im Islam, Entschuldigung […] dann sehen wahrscheinlich viele hinterher als Ergebnis  da drinne, alle muslimischen Männer unterdrücken ihre Frauen […] ich glaube, dass das teilweise Stereotype befeuert werden und dass das problematisch ist.“
Leider verpasst Seyran Ates wieder die Chance zu einer passenden Antwort. Denn die Gegenfrage hätte natürlich lauten müssen: Und was soll daraus die Konsequenz sein? Für die Gleichberechtigung der Frau lieber nicht mehr zu kämpfen, weil „Stereotype befeuert“ werden könnten? Lieber Geschlechter-Apartheid weiterhin gedeihen lassen, damit sich niemand beleidigt fühlen könnte?

Irgendwann kommt natürlich auch der unvermeidlich Ausspruch: „Den Islam gibt es ja gar nicht.“ Dies gilt freilich nur, wenn Kritik an ihm geübt wird – will jemand eine positive Aussage über „den Islam“ machen, gibt es ihn sehr wohl.

Alles in allem eine Debatte, die wenig Neues oder Erhellendes gebracht hat. In diesem Sinne: „nicht hilfreich“.

Siehe auch diese Rezension von Patrick Bahners’ Buch „Die Panikmacher“:
http://www.amazon.de/review/R38VGZV1NL7EAV/ref=cm_cr_pr_viewpnt#R38VGZV1NL7EAV

Doku: Ich war 50 Kamele wert
28.07.2011 00:40:49
von N. Lightenment (P)

Eine weitere Dokumentation heute nacht... Phoenix zeigt die Situation der Frauen in Afghanistan.

Auch hier lediglich ein paar Zitate:

"Die Taliban verurteilen unsere Einstellung und unseren Kleidungsstil. Mein schlimmster Alptraum ist, dass sie wieder an die Macht kommen."

"Eine Frau ist weniger wert als Tier. Die Männer tauschen Frauen gegen Vieh."

"Wieso werden dann die Töchter verkauft?"
"Weil das Tradition ist in Afghanistan."

"Nach zwei Jahren wurde ich schwanger. Ich war zwölf. Als ich im siebten Monat war, schlug mich mein Ehemann zusammen. [...] Das Baby kam tot heraus."

"Ein Mann kann überall hingehen. Eine Frau nicht."
Ehrenmord: Mutmaßlicher Mörder hofft, dass Allah dem Opfer (!) vergibt
27.07.2011 23:46:28
von N. Lightenment (P)

Eben ging die Dokumentation über den Ehrenmord an Hatun Sürücü zuende. Statt einer ausführlichen Kritik gebe ich nur folgenden Dialog zwischen dem Journalisten und Hatuns Bruder Mutlu, der aller Wahrscheinlichkeit nach am Mord beteiligt war, wieder:

"Beten Sie auch für Hatun?"
"Natürlich bete ich für sie."
"Und was beten Sie da? Können Sie uns das sagen?"
"Dass Allah ihr vergibt."
Käßmann contra Bolz bei Anne Will
19.06.2011 22:45:19
Fernsehkritik (in Kürzest-Form)
von N. Lightenment (P)

Gestern bei Anne Will: Der Streit um das Gutmenschentum

Margot Käßmann:
- will weiterhin "gut" sein, man brauche doch die guten Menschen
- gibt zu, dass einige Probleme so komplex sind, dass sie über ihren Horizont hinausgehen (ehrlich!)

Norbert Bolz:
- Käßmann intellektuell deutlich überlegen
- macht während der Sendung überzeugend das Problematische an Käßmanns Äußerungen deutlich

Winfried Kretschmann:
- schafft es im Verlauf der Sendung irgendwie, GLEICHZEITIG den Afghanistaneinsatz (auf extreme Gewalt müsse man reagieren) und Margot Käßmanns plumpe Kritik desselben zu verteidigen (Hä?)
- kommt beim Thema "Stuttgart 21" deutlich ins Schwimmen

Martin Lindner:
- macht gleich zu Beginn einen wichtigen Unterschied deutlich: den zwischen "Gutmenschen" und "guten Menschen" (Käßmann kapiert's nicht, schüttelt mit dem Kopf)

Sebastian Krummbiegel:
- war eigentlich überflüssig, machte nur den nichts Wesentliches beitragenden Käßmann-Fan 
Bahners' Frauen
27.02.2011 11:45:25
Rezension
von Thomas Baader

Patrick Bahners' verschwörungstheoretisches Buch lebt vom Trugbild einer großen islamophoben Allianz, die von Alice Schwarzer über Thilo Sarrazin, Helmut Schmidt und Heinz Buschkowsky bis Joachim Gauck reicht. Besonders deutlich ist aber vor allem seine aggressive Stoßrichtung gegen die Frauenbewegung. Dabei erweckt Bahners an mehreren Stellen den Eindruck eines christlichen Hardliners, der in den autoritären und antimodernen Manifestationen des Islam konsequenterweise keine Gefahr, sondern einen Verbündeten sieht: Es gibt nicht zu viel, sondern eher zu wenig Gott im öffentlichen Raum. Bahners' Lob der Züchtigkeit und traditioneller Frauenbilder machen eines überdeutlich - er ist nicht etwa bloß konservativ, er ist reaktionär.

So wird auf Seite 105 dem Leser ein aufschlussreiches Beispiel dafür geboten, zu welcher Empathie ein Feuilletonchef der FAZ fähig sein kann, wenn Verständnis für tradierte Idealisierungen weiblicher Demut gefragt ist: "Mit wem hat man es zu tun, wenn man einer verschleierten Frau begegnet? Sorgfalt hat sie auf ihre Kleidung verwendet, ihr ist nicht gleichgültig, wie sie sich zeigt. Sie schützt sich vor zudringlichen Augen und will ihrerseits nicht aufdringlich sein. Mit einem Blick ordnen wie ihre Erscheinung einem elementaren moralischen Gefühl zu, für das der Begriff der Scham steht. Diese Regung ist nicht gesellschaftsfeindlich. [...] Die Person gibt zu erkennen, dass sich ein bestimmtes Auftreten für sie so gehört."
Sarrazin bei "Markus Lanz"
25.02.2011 19:12:05
Fernsehkritik (in Kürzest-Form)
von N. Lightenment

Gestern: Thilo Sarrazin bei Markus Lanz...

Sarrazin sagt, er treffe auf 98% Zustimmung.

Daraufhin donnernder Applaus beim Publikum.

Lanz ist kritisch, dabei aber durchaus höflich und befragt Sarrazin eher im Plauderton.

Auch die anderen Gäste (Howard Carpendale, Hellmuth Karasek Indira Weis und ihre Mutter) diskutieren ohne jeden Anflug von Aggression.

Man könnte fast meinen, man wäre in einem zivilisierten Land, wo es gesittet und friedlich zugeht - hätte Lanz nicht am Anfang des Gesprächs erwähnt, dass Sarrazin heute unter Polizeischutz zum Studio gebracht werden musste.
Man kann es doch lesen!
11.02.2011 06:41:46
Lesehinweis

Die Lektüre ist über weite Teile flüssig und unterhaltsam geschrieben. Geradezu humoristisch wird es dort, wo des Autors persönliche Erfahrungen als Finanzsenator in Berlin oder die seiner Frau, die dort als Lehrerin tätig war, mit eingeflossen sind. Anrührend, wenn Thilo von seiner eigenen Pennälerzeit erzählt. Trotz der vielen Statistiken, Tabellen und Querverweise ist das Buch leicht lesbar und auch ohne Höhere Mathematik gut verständlich. Und die Anstoß erregende zitierte These, daß geistige Fähigkeiten (oder auch Unfähigkeiten) zum Teil (!) erblich sind, was ist daran so verwerflich? In den 13 Jahren meiner Schulzeit und später als Nachhilfelehrer konnte ich selbst, wie vermutlich die meisten von uns, so meine eigenen Beobachtungen machen.
http://www.rp-online.de/hps/client/opinio/public/pjsub/production_long.hbs?hxmain_object_id=PJSUB::ARTICLE::673643&hxmain_category=::pjsub::opinio::/buch_film/buchrezensionen/sachbuch
Der Jahresrückblick bei SPIEGEL TV: Parade der Peinlichkeiten und Banalitäten
02.01.2011 14:21:52
Fernsehkritik
von Konservativ
 
SPIEGEL TV ließ in diesem Jahr seinen Jahresrückblick von bekannten Journalisten und Moderatoren kommentieren. Wer sich das angesehen hat, hat seine Zeit wirklich verschwendet – es sei denn, er war (wie ich) auf der Suche nach lohnendem Material für einen Blog-Eintrag.
 
Von STERN-Redakteur Hans-Ulrich Jörges erfahren wir, dass er angesichts des durch den isländischen Vulkanausbruch verursachten Flugchaos „Schadenfreude“ empfand. Vom Kinohit „Avatar“ hält er nichts und ist sich sicher, dass 3D-Kino keine Zukunft hat – genauso sicher ist er sich auch, dass der nächste Papst nach Ratzinger den Zölibat abschaffen und Frauen als Priester zulassen werde, „um die katholische Kirche zu retten“. Dankbar ist er für die Existenz Mixas, weil durch ihn die Verlogenheit der kahtolischen Kirche sichtbar geworden sei. Jörges gibt schließlich den Amerikanern noch wertvolle Hinweise, wie man die Taliban besiegen kann („nicht in Afghanistan“). Die schönste Stunde im Jahr 2010 war für Jörges die Rede des Bundespräsidenten am 3. Oktober, mit der dieser der „verheerenden Sarrazindebatte“ entgegengetreten sei. Das Outfit von Lady Gaga stört ihn: „Da dreh’ ich weg.“
 
Erwähnen sollte man auch die fortgesetzte mediale Heiligsprechung von Margot Käßmann
Die Kommentatoren sind sich weitgehend einig: Für ihre Autofahrt im Suff gebührt Käßmann viel, viel Lob – oder galt das Lob doch eher ihrem Verhalten nach der Fahrt? Egal, im Durcheinander des Gesülzes verschwimmt dies alles zu einer undefinierbaren süßlichen Masse. Irgendwie ist das ja alles für Käßmann wirklich „blöd gelaufen“. Wir erfahren weiter: Christine Wesermann fühlte sich beim couragierten Käßmann-Rücktritt auf einmal „stolz, evangelisch zu sein“. Auch Johannes B. Kerner lässt uns an Weisheiten teilhaben: „Betrunken Auto fahren ist schlecht.“ Immerhin.
 
Der Rückblick auf die Sarrazin-Debatte (durfte natürlich nicht fehlen) gestaltet sich überraschenderweise differenzierter als erwartet:
Kristina Schröder (CDU) und Heinz Buschkowsky (SPD) bei Reinhold Beckmann
14.12.2010 20:13:41
Fernsehkritik
von N. Lightenment (P)
 
Kristina Schröder taugt einfach zu gut zum Feindbild. Hans-Ulrich Jörges fiel beim STERN vor kurzem bereits regelrecht ein Ei aus der Hose („das törichte Mädchen“), als die junge Familienministerin es wagte, andere Ansichten zu vertreten als ein STERN-Redakteur.

Bei Beckmann zeigte Schröder, dass sie entgegen der Behauptungen ihrer Kritiker heikle Themen differenziert und sachlich angeht. Sie sprach nicht nur über Deutschenfeindlichkeit, sondern auch über Benachteiligung von Türken bei Bewerbungsverfahren. Sie konzentrierte sich bei Integrationsfragen nicht nur auf negative Fälle, sondern wollte auch positive Beispiele genannt wissen. Sie stellte auch klar, dass nicht hinter jeder diskriminierenden und abwertenden Äußerung ein entsprechendes verfestigtes Weltbild stehen müsse. Moderator Beckmann schien dadurch etwas überfordert zu sein. Seine verdeckten und zugleich trotzdem völlig offensichtlichen Versuche, den von Schröder ins Gespräch gebrachten Begriff der Deutschenfeindlichkeit als unpassend zu entlarven, überzeugten nicht wirklich.
 
Zwischen Schröder und Buschkowsky wiederum gab es nur wenig Differenzen bezüglich der Analyse des Ist-Zustandes, sondern hauptsächlich unterschiedliche Ansichten im Hinblick auf die Konsequenzen (z. B. Kita-Pflicht ab dem 1. Lebensjahr). Über den einzuschlagenden Weg, wie die Probleme zu lösen sind, herrschte als Uneinigkeit, weniger aber über die Probleme selbst.
  
Schröders Argumentation offenbarte im Verlauf der Diskussion nur wenig Schwachpunkte, sodass der Frankfurter Rundschau in ihrer Fernsehkritik nicht anderes übrigblieb, als ins Persönliche zu zielen („Trotzköpfchen“) und „zerzaustes Blondhaar“ herbeizuphantasieren. Ob die Familienministerin darüber hinaus vielleicht auch noch eingewachsene Zehennägel hat, konnte die für den Artikel zuständige Qualitätsjournalistin der FR trotz intensivster Recherchen vermutlich nicht herausfinden. Bei der Rundschau scheint man vor der Auseinandersetzung mit politischen Inhalten Andersdenkender bereits kapituliert zu haben und begnügt sich lieber mit dem Absondern von Gehässigkeiten.  

Die Runde wurde etwas lebhafter, als die Journalistin Dunja Hajali sowie die Schüler Jana, Kim und Ugur hinzu stießen. Die Dunja Hajali dabei zugedachte Rolle in der Sendung war die der Verbündeten Beckmanns bei dem Versuch, das Phänomen der Deutschenfeindlichkeit im Gesamtkontext schulischen Mobbings aufzulösen und damit letztlich zu negieren. Die Gegenfrage, die sich hier dem Zuschauer automatisch stellt: Hätte man nach dieser Logik nicht eigentlich erwiesene Fälle von Ausländerfeindlichkeit an Schulen ebenfalls zu unbedeutenden Varianten einer allgemeinen Mobbing-Mentalität erklären müssen? Auch hat es in solchen Fällen niemals den Appell gegeben, dass die Gefahr bestehe, die Gruppen durch die Debatte noch zusätzlich gegeneinander aufzuhetzen, wie Hajali sie nun bei deutschfeindlichen Vorfällen sieht.

Schüler Ugur sorgte mit schwer nachvollziehbaren Aussagen für Verwirrung: Deutsche würden ja nicht deswegen gemobbt, weil sie deutsch sind, sondern weil sie an dieser Schule zufällig in der Minderheit sind. An anderen Schulen würden eben Türken gemobbt, weil sie zufällig in der Minderheit sind. Daher könne man nicht von Deutschfeindlichkeit reden, es gebe lediglich Mobben von Minderheiten. Auch Türken und Kurden mobbten sich ja gegenseitig.

Mit diesen Aussagen entsprach Ugur ganz dem Trend, der seit Beginn der Sendung von Beckmann vorgegeben worden war: In dem Moment, wo sich Rassismus gegen Deutsche richtet, muss es sich um völlig unspektakuläres Mobbing handeln – eben weil es ja keine Deutschenfeindlichkeit geben darf. Aber folgerichtig mutierten dann in Ugurs Denken auch alle anderen Formen rassistischer Diskriminierung zu harmlosen Schülerstreichen.

Natürlich aber ist an dieser Logik alles falsch: Denn Mobbing gegen Türken an Schulen, wo Türken „zufällig in der Minderheit sind“, wurde und wird völlig zu Recht seit jeher als ein Rassismusproblem definiert. Ugurs Schlussfolgerung stellt also die Realität völlig auf den Kopf. Statt „Mobbing gegen Deutsche kein Rassimus, weil ja auch Mobbing gegen Türken kein Rassismus“ müsste es richtig heißen: „Mobbing gegen Türken ist Rassismus, also ist auch Mobbing gegen Deutsche Rassismus.“ Und genauso wenig kann man es als belanglose Schülerstreiche abtun, wenn türkische Jugendliche Hasstiraden gegen Kurden von sich geben. Beckmann fuchtelte trotzdem triumphierend mit dem Zeigefinger unter Schröders Nase herum und rief: „Ugar sagt, es gibt Deutschenfeindlichkeit gar nicht.“ Dabei wirkte der Moderator so begeistert, als sei Ugur kein Schüler, der seinen persönlichen subjektiven Eindruck wiedergibt, sondern Kriminologe Pfeiffer höchstpersönlich.

Beckmann schien während der Sendung auch entgangen zu sein, dass sich Buschkowsky in dieses Anti-Schröder-Team nicht richtig einspannen ließ. Mit den Worten „Warum sind sie deutschfeindlich? Sie sind hier geboren“ sekundierte Buschkowsy faktisch der Familienministerin und ging damit begrifflich ebenfalls von der Existenz von Deutschenfeindlichkeit aus.

Schülerin Jana berichtete schließlich, dass sie sich schon „deutsche Schlampe“ gefallen lassen musste, weil sie im Sommer kurze Hosen trug. Doch die Rundschau weiß aber auch hier zu differenzieren: „Man konnte allerdings beim besten Willen nicht den Eindruck gewinnen, dass Jana aus Wilhelmsburg diese Anfeindungen aus der Fassung gebracht hätten.“

Na dann! Wer immer jene Frau Tichomirowa von der FR ist, ich hoffe inständig, dass sie weder als Lehrerin noch als Psychologin tätig war oder ist. Denn wenn im Fernsehen ein vierzehnjähriges Mädchen stammelt „Dann kommen halt immer wieder Wörter wie [verlegene Pause] wie Schlampe“ und anschließend bekennt „Sowas tut mehr weh“ und „Es trifft einen sehr stark“, dann muss man schon eine gegen null tendierende emotionale Intelligenz aufweisen, um einen Satz wie den oben zitierten zu Papier bringen zu können.

Vielleicht aber werden wir aber auch noch den Tag erleben, dass die Realität in den Redaktionsstuben des Elfenbeinturms der Frankfurter Rundschau ankommt. Und dass man sich dort ernsthaftere Gedanken macht, aus welchen Gründen ein SPD-Bezirksbürgermeister wie Heinz Buschkowsky bei Reinhold Beckmann sagt: „Wer in ein fremdes Land geht, muss wissen, dass er auf andere Sitten trifft, und muss vorher entscheiden, ob er die für sich akzeptiert oder nicht. Ich bin eigentlich nicht bereit, dass die Zivilisationsstufe und das Zusammenleben, was wir uns über Jahrhunderte erarbeitet haben… dass wir uns da wieder zurückbeamen lassen. Ich finde das in Ordnung, dass Mädchen und Jungs zusammen Sport haben und zusammen schwimmen lernen. Ich finde das einfach verkehrt, dass bei uns Hinweisbroschüren an Lehrer verteilt werden, dass natürlich der Hausmeister nicht die Sporthalle betreten darf, wenn Mädchen Sport treiben.“

Na, zum Glück hat das nicht Kristina Schröder gesagt.

Jutta Ditfurth macht auf Robespierre
31.10.2010 19:06:18
Fernsehkritik
von Konservativ (P)
 
Frank Plasberg bekommt offenbar nach der hitzigen Integrationsdebatte der letzten Woche ein wenig Leerlauf. So musste ein an den Haaren herbeigezogenes Thema die Hart aber fair-Sendung am letzten Mittwoch füllen. Im Kern ging es dabei um Ambitionen und Auftreten des Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (was ja noch sinnvoll ist), wobei die Macher der Sendung dieses Thema auf Guttenbergs adlige Herkunft verengt sehen wollten (und hier ging der Sinn dann flöten).
 
Als Gäste hatte man ein paar Adlige und solche, die es gerne sein wollen, sowie auch jemanden, der es nicht mehr sein möchte, nämlich die Ex-Grüne Jutta Ditfurth. Ursprünglich „von Ditfurth“, hat sich die gute Jutta nicht nur von ihrer früheren Partei, sondern auch von ihrem Adelsprädikat gelöst und steht nun einer kleinen politischen Splittergruppe namens „Ökolinx“ in Frankfurt am Main vor.
Bei „Kerner“ besiegte Serap Cileli Ex-Boxer Pierre Vogel durch KO…
15.10.2010 00:57:16
Fernsehkritik
von Konservativ (P)
 
… aber Ringrichter Johannes B. Kerner hat es irgendwie verpennt.
 
Der marktschreierische Auftritt von Pierre Vogel in Johannes B. Kerners Sendung wirkte unangenehm deplatziert, vor allem deswegen, weil er direkt auf ein Gesprächs Kerners mit einer Mutter folgte, deren siebenjährige Tochter missbraucht und getötet worden war. Dafür kann Pierre Vogel nichts. Doch der Schwenk von diesem ernsten und erschütternden Thema zum muslimischen Fundi-Clown gelang der Kerner-Redaktion eher schlecht.
 
Der nun eingespielte Film zeigte Pierre Vogel voll in Aktion: Beim Predigen, beim Missionieren, beim Hetzen. Der Konvertit – protestantisch getauft – fand den Weg vom erfolglosen Boxer hin zum muslimischen Hardliner. „Wir würden die Bibel noch nicht mal auf der Toilette lesen“, spricht er auf einer Veranstaltung ins Mikrofon. Wir erfahren, dass es seiner Mutter völlig egal ist, dass Vogel vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Der Film zeigt zudem Vogel als Verfechter einer Geschlechterapartheid und Befürworter drakonischer Strafen: „Wenn er (Gott) offenbar, dass derjenige, der Unzucht begangen hat, Peitschenhiebe bekommt, dann muss ich das akzeptieren.“ Auch die Steinigung für Ehebrecher sei richtig. Und weiter: „Wenn der Islam sagt, in bestimmten Fällen ist es erlaubt, die Frau leicht zu schlagen […] ich muss das akzeptieren als Muslim.“
Maischberger-Nachtrag: Jeder hat halt seine eigene Sichtweise
13.10.2010 10:58:45
Lesehinweise

Kleine Presseschau zur gestrigen Maischberger-Sendung: Wenn der Ströbele auf dem Sofa hart rangenommen wird und die Kleidung von Güner Balci ins Zentrum der Betrachtung der (männlichen) Rezensenten rückt...

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete und bekennende Multikulti-Anhänger wurde auf Sandra Maischbergers Talk-Sofa richtig hart rangenommen.
[...]
Filmemacherin Balci – kurzes Kleid, schwarze Stiefel – pflichtete ihr bei: „Das Kopftuch ist ein Zeichen von Geschlechterapartheid“, lautete ihr Slogan.
http://www.welt.de/fernsehen/article10257942/Alice-Schwarzer-Kopftuch-Scharia-und-Machokultur.html

Güner Balci, Sozialarbeiterin und Publizistin aus Berlin-Neukölln, Autorin von „Arabboy“, die an diesem Abend zu Minikleid und Stiefeln griff [...]
http://www.derwesten.de/nachrichten/Von-Schleier-und-Scharia-bei-Maischberger-id3825518.html

Islamistische Agitatoren, sagt die Emma-Gründerin, würden muslimischen Eltern in Deutschland Geld geben, damit die Kinder Kopftuch tragen. Geld aus Saudi-Arabien. Schwarzer guckt die Kopftuchträgerin Yilmaz an. Die sagt: "Hä?" Das habe sie noch nie gehört. Das sei doch lange bekannt und bewiesen, entgegnet Schwarzer und verspricht Yilmaz, ihr Informationen zuzumailen. Diese E-Mail würden noch mehr Leute gerne bekommen. Wo ist eigentlich der Fakten-Checker Frank Plasberg, wenn man ihn wirklich mal braucht?
http://www.sueddeutsche.de/medien/nachtkritik-maischberger-kluger-kopf-darf-kopftuch-tragen-1.1010889?uq=1286957595#kommentare

Keine Sorge, lieber Herr Brinkmann von der SZ... der MRF-Blog hilft Ihnen gerne dort auf die Sprünge, wo Ihre Unwissenheit Ihnen zum Verhängnis wird. Siehe hier:

Auch bei Milli Görüs hat der Staatsschutz Erkenntnisse über mögliche Beeinflussungsversuche: "Es gibt ernst zu nehmende Hinweise, dass in einigen IGMG-Ortsvereinen Eltern Geld als Belohnung bezahlt wird, wenn ihre Tochter das Kopftuch trägt."
http://www.wdr.de/themen/politik/nrw02/integration/schule/tuerkische_schueler/index_teil_1.jhtml
Sandra Maischberger – Wie man als Ströbele in Kreuzberg und gleichzeitig hinter dem Mond leben kann
13.10.2010 01:09:34
Fernsehkritik
von Konservativ (P)
 
Ich gestehe: Bei Sendungen von Sandra Maischberger bin ich mittlerweile skeptisch. Nicht, dass ich sie und ihre Arbeit nicht schätzen würde. Aber wer einmal miterlebt hat, wie Nina Hagen in der Sendung völlig ausflippt, fragt sich schon, warum gerade dieser Gast dann noch ein zweites Mal eingeladen wird (und natürlich auch ein zweites Mal völlig ausflippt). Als weiteren Tiefpunkt kann man zudem die Einladung des radikalen Frauenhassers Pierre Vogel in einer anderen Sendung nennen.
 
Nun gut, am 12.10.2010 standen weder Nina Hagen noch Pierre Vogel auf der Gästeliste, also konnte man sich die Sendung vielleicht ansehen. Stattdessen gab es…
„Die große Verschleierung“: Deutlichkeit ohne Pauschalisierung
01.10.2010 23:49:28

Rezension

von Thomas Baader

 

Es überrascht nicht, dass Alice Schwarzers neuestes Buch polarisiert. Die spektakulärste (aber keineswegs neue) Forderung der Herausgeberin dürfte wohl die nach einem Kopftuchverbot für Schülerinnen sein. Doch „Die große Verschleierung“ enthält wesentlich mehr.

                                                                                                          

Außer Schwarzer selbst kommen in dem Buch weitere elf EMMA-Autorinnen zu Wort sowie drei anonyme Schreiberinnen. Einige wenige Beiträge (die zuvor bereits entweder in der EMMA oder – seltener – in anderen Printmedien erschienen waren) weisen bereits ein beträchtliches Alter auf und sind daher inhaltlich nicht auf dem neuesten Stand. Auch kommt es gelegentlich zu Wiederholungen einiger Aussagen, was aber bei einem Sammelband nicht weiter überraschen dürfte.

25 Elemente gesamt

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